Obama und die alten Mächte:Vergangenes, das nicht vergeht

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Die dunklen Seiten der Bush-Jahre: Barack Obama wollte gerade Gesetze für die Zukunft auf den Weg bringen - nun hat ihn die Geschichte eingeholt.

R. Klüver

So sehr er sich auch müht, die düsteren Schatten der Vergangenheit wird Barack Obama nicht los. Nicht etwa eigene Verfehlungen suchen ihn heim. Es sind vielmehr die Entgleisungen seines Vorgängers, die Obama mehr beschäftigen, als ihm lieb sein kann. Eine Reihe von Enthüllungen und neuen Erkenntnissen über die Anti-Terror-Politik der Bush-Regierung - vor allem der Aktivitäten des Geheimdiensts CIA - haben den Druck auf ihn massiv erhöht, die Aufarbeitung der dunklen Seiten der Bush-Jahre endlich zuzulassen.

So sehr er sich auch müht, die düsteren Schatten der Vergangenheit wird Barack Obama nicht los. (Foto: Foto: AFP)

Dies hatte Obama bisher geflissentlich vermieden. Er weiß, dass er dabei in Washington nur verlieren kann. Gemäßigte Republikaner, auf deren Unterstützung er hofft, werden jegliche Bereitschaft zur Kooperation verlieren. Vor allem aber würde so der Krieg gegen den Terror, den Obama auf seine Art still beenden wollte, wieder die Schlagzeilen beherrschen - und nicht die Reformen, deren Durchsetzung sein wichtigstes Ziel sein müsste in den kommenden Wochen und Monaten.

Die Gesundheitsreform droht im Kampf der Interessengruppen im Kongress völlig verwässert zu werden. Das Klimaschutzgesetz, das vom Repräsentantenhaus verabschiedet wurde, ist bereits jetzt ein Torso. Im Senat dürfte es weiter zerpflückt werden. Beide Reformvorhaben werden Obamas ganze Aufmerksamkeit erfordern.

Doch immer offenkundiger wird, mit welcher Besessenheit Bushs Mannen den Krieg gegen den Terror geführt haben und dabei offenbar immer wieder an die Grenzen des Rechtsstaats gelangt sind - wenn sie die nicht sogar überschritten haben.

"Mutmaßlicher Massenmord gefangener Taliban"

An gleich vier Punkten wurde das innerhalb weniger Tage deutlich. Am Freitag wurde ein Untersuchungsbericht bekannt, demzufolge das Abhörprogramm der National Security Agency zur Überwachung von Auslandsgesprächen umfangreicher war, als es bisher bekannt ist. Demokratische Kongressabgeordnete wollen das untersuchen.

Am Samstag bestätigte das Justizministerium Berichte, dass Justizminister Eric Holder entgegen den Wünschen des Präsidenten nun doch die Einsetzung eines Sonderermittlers erwägt, der Foltervorwürfe gegen CIA-Leute in den Verhören von Terrorverdächtigen untersuchen soll.

Obama selbst wies Nachforschungen zu einem mutmaßlichen Massenmord gefangener Taliban an. Die New York Times hatte am Samstag berichtet, dass die Bush-Regierung die Untersuchung entsprechender Vorwürfe gegen einen US-Verbündeten in Afghanistan verhindert habe.

Am Wochenende war auch bekannt geworden, dass die CIA auf direkte Anweisung des damaligen Vizepräsidenten Dick Cheney den zuständigen Ausschüssen im Kongress ein Geheimprogramm im Anti-Terror-Kampf verheimlicht hatte.

Die Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im Senat, Dianne Feinstein, nannte die Affäre am Sonntag "ein großes Problem". Der Vorsitzende des Justizausschusses im Senat, Patrick Leahy, erneuerte seine Forderung nach Einsetzung einer Untersuchungskommission.

Und auch Senator Dick Durbin, vielleicht der engste Bundesgenosse Obamas im Senat, sprach davon, dass das Vorhaben "illegal" gewesen sein könnte - und so hat auch er indirekt die Möglichkeit einer gerichtlichen Untersuchung der Aktivitäten Cheneys ins Spiel gebracht.

Auch am Montag herrschte weiter Rätselraten über Inhalt und Ausmaß des Programms. Das Wall Street Journal berichtete aus Geheimdienstkreisen, dass es Teil der Anweisung von Präsident Bush gewesen sein könnte, Al-Qaida-Funktionäre zu fangen oder zu liquidieren. Es sei aber nicht sehr weit gediehen und habe selbst nach fast acht Jahren noch nicht voll funktioniert, als der neue CIA-Chef Leon Panetta es vor wenigen Wochen stoppte.

Republikaner hielten bereits dagegen. Obamas Gegenkandidat im Präsidentschaftswahlkampf, John McCain, der Bushs Anti-Terror-Kurs stets mit einiger Skepsis begleitet hat, sprach sich eindeutig gegen weitere Untersuchungen aus: "Was soll es bringen, wenn wir Details dessen ausbreiten und durchleuchten, was wir schon kennen und was nie hätte passieren dürfen?" Sein Senatskollege John Cornyn sprach von einem "schrecklichen Trend".

Obama selbst dürfte dem zustimmen. Doch der Druck auf ihn wird weiter wachsen. In den kommenden Wochen sind neue Enthüllungen zu erwarten, die den Ruf nach strafrechtlichen Konsequenzen noch lauter werden lassen dürften.

Die CIA will bis Ende August zumindest in Auszügen einen internen Untersuchungsbericht aus dem Jahr 2004 veröffentlichen, der bereits damals die Rechtmäßigkeit und den Nutzen der sogenannten verschärften Verhörmethoden in Frage stellte.

Das Justizministerium wird seinerseits eine eigene Untersuchung über die Ministeriumsmitarbeiter vorlegen, die diese Methoden damals in zweifelhaften Rechtsgutachten rechtfertigten. Schließlich könnte die seit anderthalb Jahren laufende Untersuchung mit Anklagen enden, die bei der CIA die Hintergründe des Verschwindens von Videoaufnahmen solcher Verhöre klären soll.

© SZ vom 14.07.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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