NSU-Prozess:Zschäpe straft Verteidiger mit Missachtung

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Das Vertrauensverhältnis zwischen Beate Zschäpe und ihren Anwälten scheint zerrüttet (Archivbild). (Foto: dpa)

Beate Zschäpe forciert den Machtkampf mit dem Gericht - und zeigt ihren Anwälten eine eisige Miene. Die Folgen könnten gravierend sein.

Von Annette Ramelsberger

So einen eisigen Blick, so einen verkniffenen Mund muss man erst einmal hinbekommen. Beate Zschäpe hat sich offenbar vorgenommen, öffentlich vorzuführen, wie zerrüttet ihr Verhältnis zu ihren Anwälten ist.

Nicht nur zu ihrer Verteidigerin Anja Sturm, deren Ablösung sie unbedingt will. Sondern jetzt auch zu Sturms zwei männlichen Kollegen, Wolfgang Heer und Wolfgang Stahl.

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Zum zweiten Mal versucht Beate Zschäpe mit einem Antrag die Zusammensetzung ihres Anwalts-Teams zu verändern. Was sie dazu bewog, war bisher nicht bekannt. Jetzt sind Details aus dem Begründungsschreiben an die Öffentlichkeit gelangt.

Von Tanjev Schultz

Abneigung trifft nun auch ihre männlichen Verteidiger

Die Hauptangeklagte im NSU-Prozess tritt am Dienstag vor Gericht auf wie ein einziges personifiziertes Nein: Sie kommt herein und würdigt ihre Anwälte keines Blickes - sonst begrüßen sie sich per Handschlag. Kein Lächeln, kein Nicken, kein Wort.

Dann sitzt sie über Stunden zwischen den Anwälten, den Blick starr geradeaus. Auch als Verteidiger Heer ihr eine Dose mit Pfefferminz hinschiebt, ignoriert sie die Geste. Selbst als er es mit Weingummi versucht. Sonst greift sie gerne zu.

Was sich hier vor Gericht abspielt, ist nichts anderes als ein Machtkampf. Und es geht nur vordergründig darum, ob Zschäpe ihre Verteidigerin Sturm loswird oder nicht. In Wirklichkeit geht es um den Kampf der Beate Zschäpe gegen das Gericht. Sie will - so sieht es aus - den Kopf von Sturm gegen den weiteren, möglichst ungestörten Fortgang des Prozesses.

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:"Die Schweigestrategie ist gescheitert"

Beate Zschäpe will etwas loswerden - vorerst allerdings nur ihre Pflichtverteidigerin. Fraglich ist, ob das Gericht diesem Wunsch nachkommt. Nebenkläger hoffen, dass Zschäpe im Prozess endlich etwas sagt.

Aus dem Gericht von Annette Ramelsberger und Tanjev Schultz

Vergangene Woche hatte Zschäpe schriftlich erklärt, sie habe kein Vertrauen mehr zu ihrer Verteidigerin. Die Frau, die auf Wunsch Zschäpes eigens in die Verteidigung eingetreten ist, habe, so schrieb die Angeklagte, vertrauliche Dinge in den Prozess eingeführt, sie sei schlecht vorbereitet und spreche sich nicht mit den anderen Verteidigern ab.

Sturm antwortete knapp, alle drei Vorwürfe seien unbegründet. Sturm bekam auch Unterstützung von ihren Kollegen Heer und Stahl. Die versicherten, man arbeite gut zusammen, Fehler Sturms sähen sie nicht. In den Ohren einer aufgebrachten Angeklagten könnten sich diese Stellungnahmen leicht so anhören: Die Mandantin spinnt. Oder hat zumindest keine Ahnung. Deswegen jetzt die eisige Miene Zschäpes.

Zschäpe könnte alle drei Anwälte ablehnen

Man muss nicht sehr weit vorausdenken, um das nächste Szenario zu erahnen: Zschäpe könnte jetzt - wie schon vor einem Jahr - alle drei Anwälte ablehnen. Bis Mittwoch hat sie Zeit für eine Stellungnahme, das Gericht will im Laufe der Woche entscheiden.

Es steckt in einer Zwickmühle. Richter Manfred Götzl ist nicht für großes Entgegenkommen bekannt. Und die Gründe, die Zschäpe bisher für ihr Misstrauen angibt, sind nicht sehr konkret.

Aber das Gericht könnte auch das bei seiner Entscheidung berücksichtigen, was im Fall einer strikten Ablehnung droht: Zschäpe, die bisher relativ stabil dem Prozess folgte, könnte durch richterliche Strenge dazu animiert werden, ihre psychosomatischen Beschwerden stärker auszuleben. Und dann einfach öfter krank sein.

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Die Hauptangeklagte im NSU-Prozess hat ihr Schweigen gebrochen. Zumindest gegenüber einem Psychiater. Dessen Bericht macht Hoffnung, dass die 40-Jährige auch vor Gericht bald aussagen könnte.

Von Annette Ramelsberger

So könnte das Nein zu einem neuen Verteidiger den Prozess vermutlich genauso in die Länge ziehen wie ein neuer Verteidiger, der sich erst einarbeiten muss. Das Gericht hat vor allem ein Ziel: dass der Prozess nicht nach 210 Verhandlungstagen platzt.

© SZ vom 17.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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