NSU-Prozess:Lebenslange Haft für Zschäpe gefordert

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Nach viereinhalb Jahren will die Bundesanwaltschaft für die Hauptangeklagte des NSU die Höchststrafe und Sicherungsverwahrung.

Von Annette Ramelsberger und Wiebke Ramm, München

Lebenslange Freiheitsstrafe, Feststellung der besonderen Schwere der Schuld und anschließende Sicherungsverwahrung - die Bundesanwaltschaft hat am Dienstag im NSU-Prozess für die Hauptangeklagte Beate Zschäpe das härteste Urteil gefordert, das der deutsche Rechtsstaat kennt. Auch für die vier Mitangeklagten hat Bundesanwalt Herbert Diemer in seinem Plädoyer vor dem Oberlandesgericht München hohe Haftstrafen beantragt.

Der mutmaßliche NSU-Unterstützer André E. wurde wegen Fluchtgefahr am Nachmittag überraschend noch im Gerichtssaal in Gewahrsam genommen. Die Bundesanwaltschaft hatte für den 38-Jährigen unter anderem wegen Beihilfe zum versuchten Mord eine Strafe von zwölf Jahren gefordert und Haftbefehl beantragt. Die Richter wollen an diesem Mittwoch darüber entscheiden.

Nach viereinhalb Jahren Prozess sieht es die Bundesanwaltschaft als erwiesen an, dass sich Zschäpe der Mittäterschaft an neun rassistisch motivierten Morden an Migranten, dem Mord an einer Polizistin, mehr als 35 Mordversuchen, zwei Bombenanschlägen und 15 Raubüberfällen schuldig gemacht hat. 14 Mal forderte Bundesanwalt Diemer für einzelne Taten eine lebenslange Freiheitsstrafe, für die Raubüberfälle Haftstrafen zwischen sechs und neun Jahren. "Die Gesamtstrafe kann da nur eine lebenslange Freiheitsstrafe sein", sagte Diemer.

Zschäpe hatte behauptet, sie habe immer erst hinterher von den Morden und Anschlägen ihrer Gefährten erfahren und mit Entsetzen reagiert. Die Bundesanwaltschaft ist vom Gegenteil überzeugt: "Frau Zschäpe hat sich möglicherweise nie selbst die Finger schmutzig gemacht, sie hat aber alles gewusst und alles mitgetragen", sagte Diemer. Sie sei in vollem Umfang für die Taten verantwortlich und auch keine schwache oder abhängige Persönlichkeit. Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt hätten "deutlich gezeigt, dass ihnen Menschenleben völlig gleichgültig sind". Die Bundesanwaltschaft betonte erneut: Hinweise auf strafrechtlich relevante Verstrickungen des Verfassungsschutzes gebe es nicht.

Zum Schutz der Bevölkerung hält es die Bundesanwaltschaft für notwendig, dass Zschäpe auch nach Verbüßen einer lebenslangen Freiheitsstrafe nicht freikommt. Diemer forderte deshalb Sicherungsverwahrung für Zschäpe, sie sei weiterhin gefährlich: "Zeichen einer Abkehr vom terroristischen Gedankengut hat sie nicht zu erkennen gegeben."

Nach dem Willen der Bundesanwaltschaft sollen auch die vier Mitangeklagten mehrere Jahre ins Gefängnis. Ralf Wohlleben und Carsten S. sollen dem NSU die Tatwaffe organisiert haben, mit der neun Menschen erschossen wurden. Die Bundesanwaltschaft wertet das als Beihilfe zum Mord und fordert für Wohlleben eine Haftstrafe von zwölf Jahren, für Carsten S. drei Jahre Jugendstrafe, weil er zur Tatzeit erst 20 Jahre alt war. Er ist zudem als Einziger voll geständig und glaubhaft reumütig. Der Angeklagte Holger G. soll wegen Unterstützung des NSU für fünf Jahre ins Gefängnis. Er hatte der Bande seinen Pass und Führerschein gegeben.

© SZ vom 13.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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