NSU-Prozess:Eine Frage zu viel

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  • Staatsanwälte und Verteidiger ziehen am selben Strang: Sie befürchten, dass der Prozess ausufern könnte, wenn Zeugen so umfassend befragt werden.
  • Die Nebenkläger hingegen wollen, dass auch die Neonazi-Szene rund um den NSU genau beleuchtet wird. Dazu gehören zum Beispiel Befragungen zur Nazi-Organisation "Blood & Honour"
  • Richter Manfred Götzl lässt detaillierte Befragungen zu.

Von Tanjev Schultz, München

Im NSU-Prozess gibt es ungewöhnliche Allianzen, am Mittwoch wurde das besonders deutlich. Die Atmosphäre war gereizt, die verschiedenen Seiten stritten mehrere Stunden darüber, ob bestimmte Fragen zu weit gehen. Bundesanwalt Herbert Diemer ergriff als Vertreter der Anklage Partei für die Position der Verteidiger. Er stellte sich damit gegen Anwälte, die die NSU-Opfer vertreten. Dass Staatsanwälte und Verteidiger am selben Strang ziehen, ist nicht selbstverständlich. Im NSU-Prozess passiert es, weil beide Seiten ein Ausufern des Verfahrens befürchten.

Viele Nebenkläger dringen hingegen darauf, die Neonazi-Szene rund um den NSU umfassend aufzuklären; entsprechend intensiv befragen sie die Zeugen. Am 169. Verhandlungstag entzündet sich der Streit an einer Frage des Kieler Anwalts Alexander Hoffmann. Er erkundigte sich bei der Zeugin Antje B. nach dem Produzenten einer Neonazi-CD, an der die Zeugin als Musikerin Mitte der Neunzigerjahre beteiligt war. Zschäpes Verteidiger Wolfgang Stahl monierte, es sei nicht klar, was solche "Durchleuchtungsfragen" mit dem Gegenstand des NSU-Verfahrens zu tun hätten. Die Beweisaufnahme werde unzulässig ausgeweitet, wenn solche Details zur Organisation "Blood & Honour" behandelt würden, die damals Geschäfte mit rechter Musik machte und der die Zeugin angehörte.

Mehrere Nebenklage-Vertreter betonten die Bedeutung von "Blood & Honour" als Unterstützernetz der untergetauchten Neonazis. Andere Zeugen hätten bekundet, Antje B. habe den Untergetauchten ihren Pass zur Verfügung stellen wollen, was diese bestreitet. Bundesanwalt Diemer wies darauf hin, dass dies, wenn es zuträfe, strafrechtlich bereits verjährt wäre. Und wer die CD produziert habe, "tut nichts zur Sache". Ein Nebenklage-Vertreter griff daraufhin die Bundesanwälte scharf an und warf ihnen vor, lügende Neonazis nicht zu verfolgen. Die Position der Nebenkläger ist indes nicht einhellig: Ein Anwalt schloss sich ausdrücklich den Ausführungen des Bundesanwalts an.

Richter Manfred Götzl musste mehrmals zu Sachlichkeit aufrufen. Schließlich erklärte er die Frage nach der CD für zulässig. Götzl ist offenbar nicht dazu bereit, die Themen des Prozesses so eng zu definieren wie die Ankläger. Prompt brachen anschließend erneut lange Debatten über weitere Fragen aus.

© SZ vom 11.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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