NSU-Prozess:Der seltsame Persilschein

Warum das Plädoyer der Bundesanwaltschaft fehlerhaft ist.

Von Heribert Prantl

Die Bundesanwaltschaft hat an die Spitze ihres Plädoyers eine zwiespältige Zusammenfassung ihrer Erkenntnisse gesetzt. Die erste Erkenntnis lautet: Beate Zschäpe ist Mittäterin bei zehn Morden. Diese Feststellung ist gut begründet und richtig. Die zweite Feststellung ist bedenklich: Die Bundesanwaltschaft behauptet, es hätten sich keine Hinweise auf eine strafrechtliche Verstrickung staatlicher Stellen ergeben. Das ist grob daneben; die Untersuchung staatlichen Fehlverhaltens war nicht Gegenstand des Prozesses.

Weil dies so war, darf die Bundesanwaltschaft den Behörden auch keinen Persilschein ausstellen. Der Vorsitzende Richter hat den vielen Versuchen der Nebenkläger, die Beweisaufnahme auszuweiten und dabei auch das Verhalten staatlicher Stellen zu untersuchen, nie nachgegeben. Das spiele, sagte er, für die Schuld der Angeklagten keine Rolle. Wenn das so ist, darf auch die Bundesanwaltschaft keine Erklärungen zu Dingen abgeben, zu denen kein Beweis erhoben wurde.

Der Persilschein, der den Staatsbehörden von der Bundesanwaltschaft ausgestellt wird, widerspricht allem, was man weiß: Geheimdienste haben V-Mann-Akten vernichtet. V-Leute des Verfassungsschutzes waren den NSU-Mördern viel zu nahe. Dazu muss man nur den erschütternden 1800-Seiten-Bericht des thüringischen Untersuchungsausschusses lesen. Si tacuisses, Bundesanwaltschaft.

© SZ vom 26.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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