NSU:BGH bestätigt lebenslange Haftstrafe für Zschäpe

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Die Hauptangeklagte im NSU-Prozess ist damit rechtskräftig als Mittäterin der Terrorzelle verurteilt.

Von Annette Ramelsberger, München

Zehn Jahre nach dem Auffliegen der Terrorzelle NSU ist das Urteil rechtskräftig. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am Donnerstag die lebenslange Haftstrafe für die Hauptangeklagte Beate Zschäpe bestätigt. Auch das Urteil von zehn und drei Jahren für zwei Mitangeklagte bleibt bestehen. Nur gegen einen vierten Angeklagten, den Neonazi André Eminger, wird am 2. Dezember vor dem BGH verhandelt - die Bundesanwaltschaft hatte sich gegen das milde Urteil gegen ihn von zweieinhalb Jahren gewandt. Die Anklage hatte zwölf Jahre für ihn gefordert.

Damit hat der BGH den historischen Prozess gegen den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) weitgehend zu einem Ende gebracht und das Urteil des Oberlandesgerichts München bestätigt. Zschäpe, die bereits seit zehn Jahren in Haft sitzt, hat keine Chance, vorzeitig freizukommen. Auch die besondere Schwere der Schuld für sie hat das Gericht bestätigt.

Bei Zschäpe ging es immer um die Frage: War sie Mittäterin oder nur das Heimchen am Herd, das ihre Männer bekocht hat. Der BGH ist nun der Argumentation der Kollegen am Oberlandesgericht München gefolgt, wonach Zschäpe eine Mörderin ist - wie ihre Männer, die die Taten ausgeführt haben. Dagegen hatten sich die Anwälte von Zschäpe gewandt.

Zschäpe war Mittäterin, obwohl sie meist zu Hause saß

"Die Beweiswürdigung weist keinen Rechtsfehler auf", schreibt der 3. Strafsenat des BGH. Danach hat Zschäpe die zehn Morde, 15 Raubüberfälle und drei Bombenattentate gemeinsam mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt geplant - für diese Einschätzung gebe es "eine tragfähige Tatsachengrundlage", und die Schlussfolgerungen des Gerichts seien "rational nachvollziehbar und in hohem Maße plausibel". Der BGH hält auch an der mutigen rechtlichen Konstruktion von Bundesanwaltschaft und OLG München fest, wonach Zschäpe gemeinsam mit ihren Gefährten die Morde beging - obwohl sie an keinem Tatort dabei war. "Die Angeklagte hatte in hierfür ausreichendem Maße sowohl Tatherrschaft als auch Tatinteresse", so der BGH. Zschäpe war also Mittäterin, obwohl sie meist zu Hause saß. Das hatten ihre Verteidiger versucht, mit ihren Revisionsanträgen anzugreifen.

Der BGH sieht Zschäpe als integralen Bestandteil der Terrorgruppe. Sie nahm danach "maßgeblichen Einfluss bereits auf die Planung der Taten sowie auf den gemeinsamen Tatentschluss" und habe auch den Willen ihrer Komplizen bestärkt, weitere Taten zu begehen. Zschäpe habe versprochen, bei einem möglichen Auffliegen der Gruppe Bekennervideos zu verschicken und ihren Unterschlupf anzuzünden, um Beweismittel zu vernichten - was sie auch tat. Dies sei ein "bedeutender objektiver Tatbeitrag" zu den Morden.

Mundlos und Böhnhardt hatten sich nach einem Banküberfall am 4. November 2011 selbst getötet, um einer Verhaftung zu entgehen. Sie ist die einzige Überlebende der Gruppe, die 13 Jahre lang bombend und mordend durchs Land gezogen war. Ihr fielen neun Männer mit ausländischen Wurzeln und eine Polizistin aus Thüringen zum Opfer. Die Gruppe war umgeben von zahlreichen Helfern, etwa dem früheren NPD-Kader Ralf Wohlleben, der die Tatwaffe für neun der zehn NSU-Morde beschafft hatte. Auch seine Revision wurde verworfen, genauso wie die von Holger G., der dem Trio Reisepass und Führerschein zur Verfügung gestellt hatte.

Zschäpes Pflichtverteidiger Wolfgang Stahl erklärte der SZ, die Entscheidung wirke "bedauerlicherweise sehr ergebnisorientiert". Die Beiträge von Zschäpe hätten zwar der Terrorzelle geholfen, sie seien aber kein Beitrag zu den Morden gewesen. "Ich bin überzeugt davon, dass diese Entscheidung auf heftige Kritik in der Wissenschaft stoßen wird." Pflichtverteidiger Wolfgang Heer sagte, er könne die Entscheidung des BGH nicht nachvollziehen. Dass der BGH sechs ausführliche Verfahrensrügen ohne Begründung mit nur einem einzigen Satz verworfen habe, werde der besonderen Bedeutung dieses Verfahrens nicht gerecht. Zschäpes Wahlverteidiger Mathias Grasel erklärte, der BGH habe seine bisherige Linie zur Mittäterschaft verlassen und die Strafbarkeit der Mittäterschaft massiv ausgedehnt. Es seien reine Mutmaßungen, dass Zschäpe gemeinsam mit ihren Gefährten die Ausspähskizzen der Tatorte ausgewertet habe und bei den Entscheidungen der Männer dabei gewesen sei, wer angegriffen werden soll. Das werde von der Beweisaufnahme nicht gestützt. Grasel erklärte, er habe mehr Mut vom BGH erwartet, um dem Urteil und dem Druck der öffentlichen Meinung zu widersprechen.

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