NS-Verbrechen:Prozess gegen Auschwitz-Wächter

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Ein ehemaliger SS-Mann muss sich im kommenden Jahr vor dem Landgericht Detmold verantworten. Dem heute 93-jährigen Rentner wird Beihilfe zum Mord vorgeworfen - in insgesamt 170 000 Fällen.

Wegen Beihilfe zum Mord in mindestens 170 000 Fällen im Vernichtungslager Auschwitz muss sich ein ehemaliger SS-Mann aus Lippe im kommenden Jahr vor Gericht verantworten. Das Landgericht Detmold hat die Anklage gegen den heute 93-Jährigen zugelassen. Die Hauptverhandlung werde voraussichtlich Mitte Februar 2016 beginnen, teilte das Landgericht am Montag mit. Die nordrhein-westfälische Zentralstelle für NS-Verbrechen bei der Staatsanwaltschaft Dortmund wirft dem Rentner vor, zwischen 1943 und 1944 am Massenmord in Auschwitz beteiligt gewesen zu sein.

Nach Erkenntnissen der Dortmunder Ermittler war der Angeklagte 1942 in das Nazi-Konzentrationslager Auschwitz versetzt worden. Dort soll er unter anderem als Angehöriger des SS-Totenkopfsturmbanns Auschwitz für die Bewachung des Stammlagers zuständig gewesen sein, auch ankommende Transporte soll er bewacht haben. Der Angeklagte habe mit seiner Arbeit als Wachmann die vieltausendfachen Tötungen der Lagerinsassen fördern oder zumindest erleichtern wollen, wirft ihm die Staatsanwaltschaft vor. Ihm sei bewusst gewesen, dass dieses System mit so vielen Toten nur funktionieren konnte, wenn die Opfer durch Gehilfen wie ihn bewacht wurden. Zwischen Mai und Juni 1944 seien etwa 92 Transporte mit jüdischen Deportationsopfern aus Ungarn eingetroffen. Als nicht arbeitsfähig eingestufte Menschen seien in die Gaskammer getrieben worden. Solche Selektionen habe es auch unter Gefangenen gegeben. Fast an jedem Wochenende habe es Massenerschießungen gegeben. Der Angeklagte habe eingeräumt, in Auschwitz eingesetzt worden zu sein. Allerdings bestritt er bislang seine Beteiligung an den Tötungen.

Der heute 93-Jährige ist für je zwei Stunden verhandlungsfähig, bescheinigt ihm ein Arzt

Ursprünglich sollte eine Entscheidung über die Verfahrenseröffnung bereits im Juni fallen. Die Verteidigung hatte allerdings die Verhandlungsfähigkeit ihres Mandaten in Zweifel gezogen. Das Gutachten eines Facharztes bescheinigte dem 93-Jährigen schließlich, für zwei Stunden pro Prozesstag verhandlungsfähig zu sein.

Die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den Mann sei für die Überlebenden von Auschwitz ein weiterer Akt später Gerechtigkeit, sagte Christoph Heubner, der Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees.

© SZ vom 08.12.2015 / dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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