Die Verfassungsrichter in Münster haben die richterliche Zurückhaltung aufgegeben. Sie machen Politik nicht mehr dadurch, dass sie die Politik kontrollieren, wie es die Gewaltenteilung will. Sie machen Politik damit, dass sie das gesamte politische Handeln einer Regierung konterkarieren - indem sie das Haushaltsbuch zerreißen, und der Regierung so das Geld für politisches Handeln wegnehmen.
Das ist nicht verfassungsrichterliche Politik, das ist verfassungsrichterliche Obstruktion. Die Richter beurteilen nicht mehr nur einzelne politische Maßnahmen, sondern sie entziehen einer politischen Agenda die Basis. Heute trifft es ein rot-grünes Regierungsprogramm; morgen kann es ein schwarz-gelbes oder sonstwie gefärbtes Programm treffen.
Das Urteil von Münster ist daher nicht falsch und nicht richtig - es ist richtig falsch. Das Urteil ist überheblich, weil sich die Richter überheben. Und das Urteil ist anmaßend, weil die Juristen so tun, als seien sie die besseren Ökonomen. Sicher: Man darf und kann den Richtern nicht Jux und Machttollerei unterstellen. Die Richter machen sich die berechtigte große Sorge über die kolossale Überschuldung vieler Haushalte (auch des Bundeshaushalts) zu eigen. Aber sie haben sich bei der Ausübung dieser Sorge in der Wahl des Mittels vergriffen.
Aus Sorge ums Geld wollen sie der Politik vorschreiben, wie man richtig Vorsorge betreibt. Sie machen Politik damit, dass sie Politik unmöglich machen. Das ist nicht ihres Amtes. Im bürgerlichen Recht ist das Recht der Vormundschaft vor zwanzig Jahren geändert worden; die Entmündigung wurde abgeschafft. Das Landesverfassungsgericht Münster führt die Entmündigung auf dem Gebiet des Haushalts- und Verfassungsrechts wieder ein; es entmündigt die Politik, weil es glaubt, dass es besser weiß, was für das Land gut ist. Eine solche richterliche Besserwisserei ist schlecht.