Nordkorea:Es tut ihm sehr leid

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Machthaber Kim Jong-un gibt sich zerknirscht. (Foto: AFP)

Kim Jong-un bedauert den Tod eines Mannes aus Südkorea, der sich schwimmend dem Norden näherte. Warum der Mann das tat, das wird wohl erst mal ein Rätsel bleiben.

Von Thomas Hahn, Tokio

Am Tag nach der Meldung vom Tod eines Südkoreaners in nordkoreanischen Gewässern folgte die geforderte Entschuldigung aus Pjöngjang. Das Präsidialamt in Seoul meldete, die Vereinte Frontabteilung der regierenden Arbeiterpartei habe einen Brief gesendet, in dem Nordkoreas Staatschef Kim Jong-un sein Bedauern darüber ausdrückte, dass nordkoreanische Soldaten einen Mitarbeiter des südkoreanischen Ministeriums für Meere und Fischerei erschossen haben. Der Vorfall "hätte nicht passieren sollen", wird Kim zitiert, es täte ihm "sehr leid, Präsident Moon Jae-in und die südkoreanischen Landsleute mit dem unglücklichen Vorfall in unseren Gewässern enttäuscht zu haben". Man werde "darauf achten, dass das Vertrauen zwischen Nord und Süd keinen Schaden nimmt".

Das kommunistische Regime im Norden der koreanischen Halbinsel scheint wohl doch Respekt zu haben vor den Risiken, die eine zu drastische Verschlechterung der innerkoreanischen Beziehungen mit sich bringen würde. Das darf man aus dem Schreiben schließen, nachdem Nordkorea die Beziehungen zu Südkorea in diesem Jahr teilweise arg strapaziert hatte. Im Mai und Juni schimpfte Kim Jong-uns mächtige Schwester Kim Yo-jong auf Seoul ein, weil die Regierung dort entgegen dem Abkommen von 2018 nichts gegen Aktivisten unternommen habe, die mit Ballons nordkoreakritische Texte über die demilitarisierte Zone schickten. Im Juni sprengte Nordkoreas Regierung das gemeinsame Verbindungshaus in Kaesong.

Aber der Vorfall, der sich Mitte dieser Woche im Gelben Meer ereignete, war etwas mehr als eine Provokation. Wie südkoreanische Behörden am Donnerstag berichteten, war der 47-jährige Mann mit einem Inspektionsboot unterwegs gewesen. Irgendwann sei er mit einer Schwimmweste verschwunden, vermutlich, um in den Norden zu fliehen. So sei er in nordkoreanisches Gewässer gekommen. Nordkoreanische Soldaten hätten ihn dort erschossen und verbrannt. Die Behörden in Seoul vermuteten, mit diesem drastischen Vorgehen schütze sich Nordkorea vor dem Coronavirus. Südkoreas Regierung sprach von einem "Verbrechen gegen die Menschlichkeit". Die Streitkräfte verstärkten die Grenzposten, um die Bewegungen nordkoreanischer Militäreinheiten genauer zu beobachten.

Kim Jong-uns Entschuldigung wirkte fast wie eine Notfallmaßnahme gegen die erste Wut des Südens. "Die Notiz bedeutet nicht, dass sich das nordkoreanische Regime mit der südkoreanischen Regierung arrangieren wird", sagte in der Korea Times Shin Beom-chul, Direktor der Zentrums für Diplomatie und Sicherheit am Koreanischen Forschungsinstitut für Nationale Strategie. Chun In-bum, ein pensionierter südkoreanischer Drei-Sterne-General, sagte den NK News, dass es der Entschuldigung "an Aufrichtigkeit fehle", aber immerhin: "Eine mittelmäßige Ankündigung ist besser als nichts."

In der Tat entschuldigte sich Nordkoreas Führung in ihrem Brief nicht nur. Sie beschwerte sich auch über voreilige "provokative" Aussagen des Südens und bot ihre Version der Geschehnisse an. Im Sinne der Covid-9-Vorbeugung hätten die nordkoreanischen Soldaten das Material verbrannt, welches der erschossene Mann bei sich gehabt habe, nicht den Körper.

Sie hätten den Mann am Abend des 22. September im Wasser nahe der Küste von Kumdong-ri gesichtet. Sie hätten ihn aus 80 Metern Entfernung gefragt, wer er sei. Der Mann habe "ein oder zwei Mal gemurmelt", dass er aus Südkorea stamme, aber sonst nichts gesagt. Die Soldaten hätten zwei Warnschüsse abgegeben in der Hoffnung, dass er antwortet. Dann habe dieser eine verdächtige Bewegung gemacht. Nordkoreas Führung erklärte, es seien zehn Schuss aus 40 bis 50 Metern Entfernung abgegeben worden. "Viel Blut" sei auf dem Material gewesen, das im Wasser getrieben habe. Aber die Leiche sei schon fort gewesen.

© SZ vom 26.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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