Niedersachsen:Wie die AfD (k)eine Wahlliste einreichte

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Befremdlicher Briefverkehr: Der AfD-Landesvorsitzende Paul-Armin Hampel (links) bei einem Auftritt mit AfD-Chefin Frauke Petry im Jahr 2016. (Foto: Emmanuele Contini/NurPhoto via Getty Images)

Bei Niedersachsens AfD geht es derzeit drunter und drüber. Fristen werden nicht eingehalten, böse Mails verschickt und am Ende tauchen auch noch gefälschte Briefe auf.

Von Thomas Hahn, Hamburg

Am Dienstagnachmittag kam dann die Nachricht aus Hannover, die unter normalen Umständen wahrscheinlich gar keine Nachricht gewesen wäre: Die AfD habe "mit Schreiben vom 19. 6. 2017" ihre Landesliste für die Bundestagswahl am 24. September eingereicht, meldete die niedersächsische Landeswahlleiterin Ulrike Sachs.

Eine Delegation um den AfD-Landesvorsitzenden Armin-Paul Hampel hatte die Liste zu einem Treffen am Vormittag mitgebracht, um das die AfD gebeten hatte. Spitzenkandidat Hampel hatte Gesprächsbedarf, nachdem seine Partei vergangene Woche gefälschte Bestätigungsschreiben veröffentlicht hatte, um zu zeigen, dass sie die Liste schon eingereicht habe. Nach der Sitzung sagte Hampel, vier Bescheinigungen müssten nachgereicht werden: "Wir sind hoffnungsfroh, dass das Ding jetzt über die Bühne geht."

Die AfD wirkt zerstritten und überfordert vom demokratischen Betrieb

Ob das Ding wirklich so schnell über die Bühne geht, ist noch nicht raus, das hat Hampel selbst eingeräumt. Ulrike Sachs habe ihn darauf aufmerksam gemacht, dass es mehrere Anfechtungsschreiben gebe. Der Landesvorstand werde prüfen, ob der Aufstellungsparteitag vom Februar wiederholt werden muss. Aber selbst wenn die Niedersachsen-AfD nicht noch einmal einen Parteitag einberuft - so leicht wird sich der Eindruck nicht verwischen lassen, den die Partei zuletzt hinterlassen hat. Sie wirkt zerstritten und überfordert von den Routinen des demokratischen Betriebs.

Schon lange beklagen manche AfD-Mitglieder die herrische und rechtslastige Art des Vorsitzenden Hampel. Dazu kommen Einwände aus der Praxis. Das AfD-Landesschiedsgericht hatte im Februar die Aufstellungsversammlung zwischenzeitlich wegen verspäteter Einladungsfristen gekippt. Sie fand dann trotzdem statt, angeblich kursierten dort Listen mit Namen, für die man auf keinen Fall stimmen sollte.

E-Mails wurden öffentlich, in denen von "Trappenjagd" und "Karnickelfangschlag" gegen Kritiker des früheren ARD-Auslandskorrespondenten Hampel die Rede war; Hampel distanzierte sich davon. Und viele Mitglieder wussten lange nicht, ob die AfD ihre Bundestags-Wahlliste nun schon eingereicht habe oder nicht - bis das Politikjournal Rundblick Ulrike Sachs mit dem Satz zitierte: "Bei mir hat sich die AfD noch nicht gemeldet."

Das war der Ausgangspunkt eines bizarren Wortwechsels, der mittlerweile die Staatsanwaltschaft beschäftigt. In einer Erklärung mit dem Titel "Zeitungsenten leben nicht lange" sprach AfD-Generalsekretär Jens Kestner nach dem Rundblick-Artikel von einem "Missverständnis" und veröffentlichte Briefe vom 1. und 16. März mit dem Briefkopf der Landeswahlleiterin, wonach diese den Eingang der Listen bestätigt habe. Ulrike Sachs reagierte ihrerseits mit einer Erklärung: Die Briefe auf der AfD-Internetseite seien von der "Landeswahlleiterin weder gefertigt noch mit ihrer eigenhändigen Unterschrift versehen worden. Zudem sind sie inhaltlich unzutreffend." Sie erstattete Strafanzeige.

Auch die AfD geht inzwischen davon aus, dass es sich um Fälschungen handelt

Die AfD reagierte mit der nächsten Pressemitteilung: Die beanstandeten Briefe hätten sie per Post erreicht, nachdem der frühere Landesschriftführer die Wahllisten an die Landeswahlleiterin adressiert und in den Briefkasten geworfen habe. "Heute wissen wir, dass von unbekannter Seite erhebliche kriminelle Energie zum Schaden der AfD aufgewandt wurde." Man erstatte Strafanzeige gegen unbekannt. Und als die AfD-Funktionäre am Dienstag bei Ulrike Sachs saßen, sprachen sie offensichtlich noch einmal von ihrem Befremden. Die Landeswahlleiterin meldete anschließend: "Auch die AfD geht inzwischen davon aus, dass es sich bei den Schreiben (...) um Fälschungen handelt."

Die Kritik an Hampel bleibt. Der AfD-Bundesvorstand hat laut Hampel empfohlen, die Aufstellungsversammlung zu wiederholen, was großen Zeitdruck brächte; bis 17. Juli müssen die Wahllisten eingereicht sein. Außerdem hält der Bundesvorstand den gewünschten Wahlkampf-Vorschuss zurück, weil zehn Kreisverbände nach Informationen des Rundblick beklagen, dass der Landesverband ihnen Geld schulde. Und Holger Pieters, Kreistagsabgeordneter aus Leer, früheres Mitglied des Landesvorstands und erklärter Hampel-Gegner, sagt sogar: "Der Landesvorstand ist politisch und moralisch am Ende." Er plädiert für Rücktritt und Neuanfang, damit die Partei nicht mehr jedes Vorurteil ihrer Gegner bedient.

© SZ vom 21.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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