Nato-Truppenabzug aus Afghanistan:Warum Karsai zu kühn ist

Der afghanische Präsident Karsai verlangt, die einheimische Armee und Polizei sollten bereits im nächsten Jahr allein für Stabilität am Hindukusch sorgen. Von seinem Vorstoß werden vor allem die Taliban profitieren. Denn die afghanischen Sicherheitskräfte werden 2013 noch nicht in der Lage sein, die radikalen Islamisten in Schach zu halten.

Tobias Matern

Die Chance auf einen geordneten Rückzug der westlichen Truppen und eine passable Übergabe der Sicherheit an die Afghanen war gering. Schon vor diesem Donnerstag. Aber nun schrumpft sie weiter, wenn Präsident Hamid Karsai seinen Willen bekommt. Er verlangt, die einheimische Armee und Polizei sollten bereits im nächsten Jahr allein für Stabilität am Hindukusch sorgen. Sein kühner Plan desavouiert die westlichen Staats- und Regierungschefs, die sich nur noch mit Müh und Not an ihre Zusage halten wollten, erst Ende 2014 die Kampfmission in Afghanistan zu beenden.

Barack Obama, der darum bangen muss, eine zweite Amtszeit im Weißen Haus verbringen zu dürfen, wird sicher nicht vor seine potentiellen Wähler treten und versichern: Unser Engagement in diesem unpopulären Krieg bleibt in vollen Umfang bestehen, egal was Karsai da erzählt.

Die Idee des afghanischen Staatschefs hätte durchaus Charme - wenn sie denn realistisch wäre. Aber die afghanische Armee und Polizei werden 2013 nicht in der Lage sein, die Taliban in Schach zu halten. Darum geht es Karsai auch gar nicht mehr. Er will die Macht mit den Islamisten teilen und ihnen als vertrauensbildende Maßnahme einen Wunsch erfüllen: die ausländischen Truppen so schnell wie möglich aus Afghanistan herauszubekommen.

Schon die Zeit bis 2014 war knapp bemessen für den Westen, um ein wenig Stabilität am Hindukusch zu hinterlassen. Die Taliban legen nun die Friedensgespräche auf Eis. Sie profitieren am meisten von Karsais Vorstoß. Die Gefahr eines Bürgerkriegs wächst. Die mit den Taliban verfeindeten Gruppen werden deren Rückkehr nach Kabul nicht kampflos akzeptieren.

© SZ vom 16.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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