Nato-Treffen:Trump maßregelt Macron

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In London kritisiert der US-Präsident Frankreichs Staatschef wegen seiner "Hirntod"-Äußerung scharf. Deutschland bezeichnet er erneut als "pflichtvergessen".

Von Matthias Kolb und Paul-Anton Krüger, London

Sie beschimpften und vertrugen sich: Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron und US-Präsident Donald Trump beim Nato-Treffen in London. (Foto: Ludovic Marin/AFP)

US-Präsident Donald Trump hat Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron wegen dessen Fundamentalkritik an der Nato scharf attackiert. Zum Auftakt des Treffens der Staats- und Regierungschefs der Allianz in London sagte Trump vor einem Arbeitsfrühstück mit Generalsekretär Jens Stoltenberg, Macrons Bemerkung zum "Hirntod der Nato" sei "sehr gefährlich" und "sehr, sehr böse" gegenüber den Bündnispartnern. Niemand brauche die Nato mehr als Frankreich, ergänzte er.

Macron hatte in einem Interview mit dem Economist kritisiert, es gebe keine Koordination in der Entscheidungsfindung zu strategischen Fragen zwischen den USA und Europa, und hatte indirekt infrage gestellt, ob die USA unter Trump ihrer Beistandspflicht nach Artikel 5 des Nordatlantikvertrags nachkommen würden. Trump hatte Mitte 2018 einen Austritt der USA in den Raum gestellt. Nun sagte Trump, er könne sich vorstellen, dass Frankreich aus der Nato ausschere, ohne dies zu erläutern. Seine Verteidigung der Nato verband Trump mit Kritik an den von ihm als zu gering empfundenen Verteidigungsausgaben. Erneut geißelte er Deutschland als "pflichtvergessen". Sollten sich die Europäer nicht ändern, könnte es auch im Handelsstreit "hart werden". Am Vorabend des Treffens in London hatte er Macron mit Strafzöllen auf Champagner, Käse und andere französische Produkte gedroht, sollte Paris an seinen Plänen für eine Digitalsteuer festhalten, die US-Internetkonzerne ins Visier nimmt. Am Nachmittag spielte Trump die Differenzen herunter und nannte den Konflikt "unbedeutend" und lösbar. Erstmals in der 70-jährigen Geschichte der Nato wird in der Abschlusserklärung, die am Mittwoch noch bestätigt werden muss, China erwähnt. Die Nato erkennt an, dass der wachsende Einfluss Pekings "sowohl Chancen als auch Herausforderungen darstellt", die analysiert werden müssten. Die Volksrepublik, die bereits heute über das zweitgrößte Militärbudget der Welt verfügt, wird jedoch nicht als Feind angesehen. Bundeskanzlerin Angela Merkel, die sich in London mit Macron, dem britischen Premier Boris Johnson und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan über die Lage in Syrien austauschte, lobte die Erklärung als "gut". Trotz aller Differenzen gehe sie "relativ optimistisch" in das Jubiläumstreffen, so Merkel, das am Abend offiziell mit einem Empfang bei Königin Elizabeth II. begann. Überschattet wird das Treffen aber von scharfen Meinungsverschiedenheiten zwischen Frankreich und der Türkei. Macron verlangt eine Klarstellung, wer "heute der Feind des Friedens in Europa ist". Für ihn sei dies der Terrorismus. Über dessen Definition sei man sich im Kreise der bald 30 Mitglieder nicht einig, sagte er mit Blick auf die Türkei. Erdoğan kündigte an, er werde die Aktualisierung des Verteidigungsplans für das Baltikum blockieren, sollte die Nato nicht seiner Haltung zu den kurdischen YPG-Milizen in Syrien folgen. Während die Türkei die Gruppe als terroristisch einstuft, kooperieren die USA und europäische Nato-Partner weiter mit ihr im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat.

© SZ vom 04.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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