Nato-Einsatz:Minenfeld der Empfindlichkeiten

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Vor dem EU-Sondergipfel stockt die Nato-Mission in der Ägäis, die schon fast als historischer Durchbruch gefeiert wurde. Grund dafür ist das schwierige Verhältnis zwischen Ankara und Athen.

Von Daniel Brössler und Mike Szymanski, Brüssel/Athen

Auffällig viel ist in der Europäischen Union derzeit von der Nato die Rede. Sie soll helfen, wo sich die EU bisher nicht zu helfen wusste. Auf Initiative Deutschlands war vor drei Wochen ein Nato-Einsatz in der Ägäis beschlossen worden, der Türken, Griechen und EU dabei unterstützen soll, den Schleppern das Handwerk zu legen. Zum EU-Sondergipfel an diesem Montag wären erste Erfolgsberichte höchst willkommen. Doch daraus kann kaum noch etwas werden. Noch warten die vier aus Deutschland, Kanada, der Türkei und Griechenland stammenden Schiffe des Maritimen Nato-Einsatzverbands 2 in internationalen Gewässern auf ihren eigentlichen Einsatz. Seit Tagen bemüht sich der deutsche Flottillenadmiral Jörg Klein, der Kommandeur des Verbandes, um grünes Licht aus Ankara und Athen. Schwierig sei das alles, wird in Berlin beteuert, aber doch auf gutem Weg.

Deutschland stellt für den Einsatz das Führungsschiff, den Einsatzgruppenversorger Bonn. (Foto: Ingo Wagner/dpa)

Als sich die Nato-Verteidigungsminister auf den Einsatz verständigt hatten, war das fast schon als historischer Durchbruch gefeiert worden. Die verfeindeten Alliierten Griechenland und die Türkei stimmten zu - und das schneller, als man es im Bündnis für denkbar gehalten hätte. So rasch wie möglich sollte der Einsatz zur "Aufklärung, Beobachtung und Überwachung illegaler Überfahrten" beginnen. An ein aktives Vorgehen gegen Schlepper seitens der Nato war von Anfang an nicht gedacht. Aufgabe der Nato soll es sein, die Küstenwachen der Türkei und Griechenlands sowie die EU-Grenzschutzagentur Frontex mit präzisen Informationen zu versorgen.

Bevor das beginnen kann, muss der deutsche Flottillenadmiral Klein sich durch das Minenfeld der türkisch-griechischen Beziehungen bewegen. Schon bei den Verhandlungen über die Einzelheiten des Einsatzes im Nato-Hauptquartier war klar geworden, dass es die Empfindlichkeiten zwischen den beiden Nato-Ländern es extrem schwer machen, sich auf die genauen Einsatzgebiete in den nationalen Hoheitsgewässern zu verständigen. Schließlich einigte man sich darauf, dass die Nato-Kommandeure vor Ort "in Koordination mit der Türkei und Griechenland" entscheiden, wo sie operieren. Das gestaltet sich zäh, griechische Medien berichten über türkische Obstruktion.

Die türkische Seite dementiert das. Nach der technischen Einigung in Brüssel befinde man sich nun in einer zweiten Phase, in der es um die konkrete Umsetzung gehe, zitierte die Zeitung Hürriyet Regierungsvertreter. Erst in der dritten Phase starte der eigentliche Einsatz. Der griechische Außenminister Nikos Kotzias sprach im Interview mit dem Sender Skai "eher von Frust als von Spannungen" in der Zusammenarbeit mit den Türken.

Admiral Klein bereitet sich und seine Leute derweil auf den Ernstfall vor. "Wir operieren derzeit in einem Gebiet, in dem die Wahrscheinlichkeit, ein Boot mit Flüchtlingen oder Migranten zu kreuzen, höher ist als anderswo", wird er auf einer Nato-Webseite zitiert. Darauf müsse man in der Lage sein, "schnell und professionell" zu reagieren. Vereinbarungsgemäß sollen gerettete Flüchtlinge von den Nato-Schiffen in die Türkei zurückgebracht werden.

© SZ vom 03.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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