Nato:Einigung über Anti-Schlepper-Operation

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Aus Ägypten starten keine Schlauchboote. Es sind eher Fischer mit ihren Booten, die Flüchtlinge über das Meer bringen - zum Familienpreis von 10000 Dollar. (Foto: Giorgos Moutafis/Reuters)

Der Ägäis-Einsatz litt bisher unter dem schlechten Verhältnis von Athen und Ankara. Nun hat die Nato einiges klargestellt.

Von Daniel Brössler und Thomas Kirchner, Brüssel

Die Sache ging schnell, vielleicht ein bisschen zu schnell. Bei ihrem Treffen Mitte Februar hatten sich die Nato-Verteidigungsminister in Rekordtempo auf einen Einsatz in der Ägäis verständigt, der helfen soll, den Schleppern das Handwerk zu legen. Die Überraschung war groß, dass die Türkei und Griechenland sich gemeinsam auf das Vorhaben einließen. Seitdem aber wurde über zentrale Einzelheiten gestritten. Was wird mit Flüchtlingen, die von Nato-Schiffen aus Seenot gerettet werden? Wo genau ist das Einsatzgebiet? Türken und Griechen attackierten einander wie gewohnt; der Einsatz schien auf der Kippe zu stehen. Erst am frühen Donnerstagmorgen, kurz nach Mitternacht, konnte der Nato-Generalsekretär erleichtert vor die Kameras treten. "Wir werden an den internationalen Bemühungen teilnehmen, den Menschenschmuggel und die illegale Migration durch die Ägäis zu unterbrechen", verkündete er.

Noch bevor Stoltenberg gesprochen hatte, meldete sich EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos per Twitter zu Wort. "Begrüße Nato-Deal, Menschenschmuggel in der Ägäis zu bekämpfen", schrieb er. Die EU-Kommission setzt, ebenso wie Bundeskanzlerin Angela Merkel, darauf, dass der Nato-Einsatz in den Bemühungen, die Flüchtlingskrise zu entschärfen, eine Lücke schließt. Die Kommunikation zwischen der Türkei und Griechenland ist katastrophal, und das von der Türkei zugesagte Vorgehen gegen die Schlepper bisher wenig beeindruckend. Mit moderner Technologie ausgestattete Nato-Schiffe sollen sich nun der Aufklärung, Beobachtung und Überwachung illegaler Überfahrten widmen.

"Die Aufgabe der Nato ist es nicht, die Boote zur Umkehr zu zwingen", stellte Stoltenberg klar. Man werde vielmehr wichtige Informationen liefern, damit die Küstenwachen der Türkei und Griechenlands sowie die EU-Grenzschutzagentur Frontex ihre Arbeit "effizienter" erledigen könnten. Zum Streit über das genaue Einsatzgebiet sagte Stoltenberg, dass die Kommandeure der Nato-Schiffe "in Koordination mit der Türkei und Griechenland" zu entscheiden hätten, wo sie operieren. Und was das Schicksal geretteter Flüchtlinge betrifft: "Personen, die aus der Türkei kommen, werden in die Türkei zurückgebracht." Dabei sei nationales und internationales Recht zu beachten. Die Türkei hatte sich gegen eine weitgehende Aufnahmezusage gesträubt und dürfte in konkreten Fällen auf rechtliche Hindernisse verweisen.

Mit Komplikationen verbunden ist auch der von beiden Seiten beschworene Informationsaustausch zwischen Nato und EU. Einer engen Zusammenarbeit hatte in den vergangenen Jahrzehnten stets der türkisch-griechische Konflikt im Wege gestanden. So fehlt zwischen dem Militärbündnis und der Europäischen Union ein Abkommen zum Austausch sensibler Daten. Nato und EU haben sich in den vergangenen Tagen daher um spezielle Arrangements bemüht, damit Überwachungserkenntnisse der Nato-Schiffe in der Ägäis auch an Frontex weitergegeben werden können.

EU-Innenminister: Künftig sollen auch Bürger der Union an den Außengrenzen überprüft werden

Die Schiffe sind schon länger im Mittelmeer. Sie gehören zum ständigen maritimen Nato-Einsatzverband 2 und kommen derzeit aus Deutschland, Kanada, Griechenland und der Türkei. Geführt werden sie vom deutschen Einsatzgruppenversorger Bonn.

In Brüssel versuchten die EU-Innenminister derweil, mit einem anderen wichtigen Projekt der Flüchtlingspolitik weiterzukommen. Der geplante Europäische Grenz- und Küstenwachschutz soll bis Mitte des Jahres verabschiedet und möglichst noch im Sommer eingesetzt werden. Dann wäre es möglich, eine stehende Frontex-Truppe von bis zu 1500 Grenzschützern an den Außengrenzen zu platzieren. Dies kann auch gegen den Willen des betreffenden Staates gemacht werden. Wie dann genau vorgegangen wird, sei noch umstritten, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière, und soll beim nächsten Treffen geklärt werden.

Auf die Terrorbekämpfung hingegen zielt der Beschluss, an den Außengrenzen der Schengen-Zone künftig auch EU-Bürger systematisch zu kontrollieren, ihre Daten also in jedem Fall mit einschlägigen Datenbanken abzugleichen. So soll verhindert werden, dass islamistische Kämpfer unkontrolliert zwischen Europa und den Krisengebieten im Nahen Osten hin- und herpendeln können. Das war nicht nur vor den Anschlägen in Paris der Fall. Um Flughäfen nicht zu überlasten, gilt dort noch sechs Monate lang der bisherige Zustand weiter, bei dem nur gewisse Gruppen auf der Basis von Risikofaktoren stärker kontrolliert werden. Bürger aus Drittstaaten werden schon jetzt überall systematisch kontrolliert. Vor dem Inkrafttreten der Änderung muss allerdings zunächst noch das Europäische Parlament zustimmen.

© SZ vom 26.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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