Thronwechsel in Japan:Aus dem Hintergrund ins Rampenlicht

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Japans Kronprinz Naruhito (Foto: dpa)

Japans Kaiserliche werden streng behütet, jede ihrer Bewegungen wird kontrolliert. Der scheue Kronprinz Naruhito steht vor einer schwierigen Aufgabe.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Kronprinz Naruhito, der am Mittwochmorgen den Chrysanthementhron besteigen und Japans 126. Kaiser wird, lernte als Kind die Geige zu spielen. Als er erwachsen wurde, wechselte er zur Bratsche. Die Geige führe zu sehr, erklärte er. Er ziehe es vor, im Hintergrund zu bleiben und zu begleiten: so wie eben die Bratsche.

Diese Bescheidenheit prägt alle Auftritte des 59-Jährigen, der in der persönlichen Begegnung verbindlich, besonnen, warm, aber auch scheu wirkt. Er wolle die Tradition des Kaiserhauses hochhalten, wie es seine Eltern getan hätten, versprach er jüngst. Dabei ließ er unerwähnt, dass bereits seine Eltern - Akihito, der abdankt, und Kaiserin Michiko - am stramm konservativ geführten Hof umstürzend Neues wagten. Akihito heiratete mit Michiko die erste Nicht-Adelige, eine Industriellentochter - deren Familie war auch noch katholisch. Die Nationalisten lehnten sie schon deshalb ab, wie angeblich sogar Akihitos Mutter, Kaiserin Kojun. Darüber verfiel Michiko in eine tiefe, mehrjährige Depression.

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So heißt das neue Zeitalter, das unter dem künftigen Kaiser Naruhito im Mai beginnen soll. Mit der Übersetzung des Begriffs tun sich sogar Fachleute schwer.

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Als kleiner Prinz entdeckte Naruhito im Palastgarten die Überreste einer alten Straße. Das weckte sein Interesse an historischen Verkehrswegen. Er studierte in Tokio und Oxford Geschichte. Seither hat er den Schutz der weltweiten Wasserreserven zu seinem Anliegen gemacht. "Straßen führen in eine unbekannte Welt. Weil mir mein Leben wenig Gelegenheit gibt, frei hinauszugehen", seien ihm Straßen auf Landkarten "wertvolle Brücken ins Unbekannte", erklärte er sein Interesse am Verkehr. Und deutete damit an, wie wenig Freiheiten Japans Kaiserliche haben.

Das Hofamt, ein Apparat von 800 Beamten, behütet sie. Ketzer sagen, es sperre sie ein. Jedenfalls kontrolliert das Amt jede ihrer Bewegungen und entscheidet, was sie sehen und lesen dürfen. In seinen drei Jahren in England dagegen fuhr Naruhito unerkannt mit dem Rad zur Uni. Er war sich bewusst, dass er dies nie wieder würde tun können. Er besuchte europäische Königshäuser und erlebte ihren Alltag, der so viel freier ist als jener am japanischen Hof. Die Queen gieße selber Tee ein, notierte er staunend.

Mit dem neuen Kaiser erhält Japan auch eine neue Kaiserin, die polyglotte Ex-Diplomatin Masako; statt eines Adelstitels hat sie einen Harvard-Abschluss. Die Nationalisten lehnten auch sie ab, zumal sie als Tochter eines Diplomaten überwiegend im Ausland aufgewachsen ist. Und dann hat sie auch noch in Tokio, wie schon ihre Schwiegermutter, eine katholische Schule besucht. Masako zögerte lange, auf das Werben des Kronprinzen einzugehen. Sie nahm erst seinen dritten Heiratsantrag an, als er ihr schwor, sie zu beschützen vor all den Beschützern am Hof.

1993 heirateten die beiden, doch dann verfiel auch Masako in eine jahrelange Depression. "Anpassungsschwierigkeiten" nannte das Hofamt das. Der Druck erhöhte sich noch, als sie Naruhito keinen männlichen Erben gebar, sondern erst nach acht Jahren eine Tochter, Prinzessin Aiko. Das einzige, was die Konservativen von ihr wollten, war ein Thronfolger. Obwohl es in Japans Geschichte mehrere Kaiserinnen gab, lässt das Gesetz von 1889 nur die männliche Erbfolge zu. Die Politik begann zu debattieren, ob das geändert werden sollte. Doch sie verstummte sofort wieder, als die Frau von Naruhitos jüngerem Bruder 2006 doch noch einen Jungen gebar, Prinz Hisahito. Nach dem gültigen Gesetz wäre er in der kommenden Generation der Thronfolger.

Die Verfassung untersagt Naruhito jede politische Äußerung - er ist das "Symbol des Staates und der Einheit des Volkes", kein Staatsoberhaupt. Trotzdem ist immer auch politisch, was er tut. Wird er den Kaiserhof modernisieren? Es heißt, seine Frau Masako habe vor ihrer Heirat gehofft, sie könnte dazu einiges beitragen. Noch mehr aber wird sich Naruhito Sorgen über die künftige Existenz des Kaiserhauses machen müssen. Da ist er als Solo-Geiger gefragt, nicht als begleitender Bratschist.

© SZ vom 30.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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