Nahost:Punktlandung mit Falke

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Es geht um Öl, Waffen, Gerste und Einfluss: Wladimir Putin und der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman in Riad. (Foto: Alexey Nikolsky/AFP)

Russlands Präsident will am Golf Geschäfte anknüpfen. Und er kommt genau in einem Moment, in dem die USA Wladimir Putin in der Region auch politisch Raum überlassen.

Von Silke Bigalke und Dunja Ramadan, München/Moskau

Der Star beim Gipfeltreffen in Riad war ein Falkenweibchen namens Alfa. Der russische Präsident Wladimir Putin hatte den großen weißen Greifen als Geschenk in die saudische Hauptstadt mitgebracht. Auf der arabischen Halbinsel ist die Jagd mit den edlen Tieren Zeitvertreib gekrönter Häupter. Nur war Alfa offenbar sehr aufgeregt. Als Putin über das Gefieder strich, erleichterte sich der Vogel prompt auf den Marmor des königlichen Palastes. König Salman, der dem Falken einen neuen Namen geben wird, und sein russischer Gast ignorierten den Fauxpas. Schließlich handelte es sich um ein historisches Treffen, wie beide Seiten nicht müde wurden zu betonen. Zuletzt war der russische Präsident vor zwölf Jahren in Riad.

Nun brachte er neben dem Falken Angebote zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit: Der staatliche Energiekonzern Gazprom möchte stärker mit dem saudischen Pendant Aramco kooperieren, Rosatom bietet dem Königreich ein Atomkraftwerk an, und Putin würde gerne das Luftwaffenabwehrsystem S-400 nicht nur an Ankara verkaufen, sondern auch an Riad.

Vor allem aber strebt Putin danach, Russlands Einfluss im Nahen Osten weiter auszubauen. Der wächst, seit Moskau 2015 Kampfflugzeuge nach Syrien schickte und damit Diktator Baschar al-Assad vor der Niederlage rettete. Inzwischen ist Russland die ausländische Militärmacht in Syrien, an der niemand mehr vorbeikommt. Der Rückzug der US-Truppen macht Moskau zum einzigen Ansprechpartner, auf den alle Konfliktparteien gleichermaßen angewiesen sind: die Türken, die syrischen Kurden, das Regime in Damaskus. So ähnlich lässt sich auch Putins Strategie in der gesamten Region beschreiben: Er baut Kontakte zu Staatschefs auf, die untereinander zerstritten sind, aber allesamt bereit, mit dem Kreml zu verhandeln - von Ankara über Damaskus bis nach Teheran oder Jerusalem. Vor diesem Hintergrund sind auch seine Besuche in Riad am Montag und Abu Dhabi am Dienstag zu sehen. In einem Interview vor dem Treffen mit dem saudischen König Salman hatte Putin es so formuliert: "Russland schließt nie Freundschaft mit jemandem gegen einen." Putin macht sich alle zum Freund - und sich selbst damit zum unentbehrlichen Strippenzieher. Wenn sich dabei noch Waffen und Öl verkaufen lassen oder Gerste, wie in Saudi-Arabien, umso besser. Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate sind enge Verbündete der USA. Umso mehr dürften Putin die pompösen Empfänge am Golf freuen. Denn Washington gilt in der Region längst nicht mehr als verlässlicher Partner, nicht nur wegen des überstürzten Abzugs aus Syrien. Saudi-Arabien selbst lernte die Launen von US-Präsident Donald Trump kennen, nachdem seine Ölanlagen angegriffen wurden - mit iranischen Drohnen, wie es übereinstimmend in Washington und Riad heißt. Ein militärischer Vergeltungsschlag aber blieb aus - stattdessen äffte Trump den greisen saudischen König wenig vorteilhaft auf einer Wahlkampfkundgebung nach. Auch deshalb wollen sich die Golfstaaten mit Russland gut stellen. In Washington dürfte die Annäherung der Golfstaaten an Moskau mit Argwohn betrachtet werden. Vor allem Rüstungsgeschäfte mit Russland wären für Washington ein Schlag, das bisher mit Abstand Riads wichtigster Lieferant ist. Kurz nach der Attacke auf die saudischen Ölanlagen offerierte Putin russische Luftabwehrsysteme - die aus US-Produktion stammenden Patriot-Batterien hatten die angreifenden Drohnen nicht unschädlich gemacht. Überrascht kann Washington von der Annäherung zwischen Riad und Moskau indes kaum sein. Bereits im Oktober 2017 war Salman nach Moskau gereist, als erster saudischer König überhaupt. Schon damals ging es um Rüstungsgeschäfte und um Syrien. Vor allem aber war der Besuch ein Eingeständnis der wachsenden Rolle Russlands in der Region. Auch war es Saudi-Arabien, das als führendes Mitglied der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC), auf eine stärkere Zusammenarbeit mit Russland drang, die sogenannte "OPEC+"-Kooperation. Beide Staaten setzen auf eine Verringerung der Fördermengen, um den Rohölpreis zu stabilisieren. Bei Putins Gegenbesuch ist die Ausgangslage für Gespräche nun noch besser als vor zwei Jahren: Während Russland immer noch an der Seite des syrischen Machthabers steht, haben sich Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate mittlerweile damit abgefunden, dass Assad an der Macht bleiben wird. Nach acht Jahren Krieg, in denen Riad und Abu Dhabi lange die Regierungsgegner unterstützt hatten, erwägen die Emirate, in Damaskus wieder eine Botschaft zu eröffnen. Schwieriger könnten sich die Gespräche in Bezug auf Iran gestalten. Aber auch da könne Russland helfen, die Lage zu entspannen, ließ Putin in einem Interview wissen. Bei seinem Besuch in den Vereinigten Arabischen Emiraten traf Putin den Kronprinzen von Abu Dhabi, Mohammed bin Zayed, der seit einiger Zeit versucht, die Spannungen am Golf zu verringern. In den Gesprächen wird es wohl auch um den Krieg in Jemen gehen. Iran unterstützt dort die schiitische Huthi-Miliz. Auch hier könnte Moskau als Vermittler auftreten: Man unterhält gute Beziehungen sowohl zu den sunnitischen Golfstaaten als auch zu deren schiitischen Rivalen in Teheran. Was Putin überdies in der Region hilft: Er gilt als jemand, der den Status quo stützt und, anders als westliche Regierungen, keine Vorträge über Menschenrechte hält. Den brutalen Mord am regierungskritischen saudischen Journalisten Jamal Khashoggi hat er nie öffentlich kritisiert. Allerdings hat Russland nicht die ökonomischen Ressourcen, um wie die USA als Weltmacht aufzutreten. Putin setzt seine Militärmacht dort ein, wo sie die größte Hebelwirkung verspricht. In Syrien tut er das mit aller Rücksichtslosigkeit, auch gegen die Zivilbevölkerung. Ein Rückzug der US-Truppen hilft ihm nun in mehrerlei Hinsicht: Er sichert Putin sein eigenes Standbein in Syrien. Und er lässt Russland in der Region als der verlässliche Partner dastehen.

© SZ vom 16.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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