Nahost:Pacht und Macht

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Jordaniens König fordert von Israel Grenzgebiete zurück und will damit auch die eigene Bevölkerung besänftigen.

Von Alexandra Föderl-Schmid und Dunja Ramadan, Tel Aviv/München

Es war ein symbolträchtiger Tag, an dem der jordanische König Abdullah II. seine Entscheidung bekannt gab: Als sich in Israel die politischen Entscheidungsträger am Herzl-Berg versammelten, um - nach jüdischem Kalender - am Jahrestag der Ermordung des früheren israelischen Ministerpräsidenten Jitzchak Rabin zu gedenken, wurde die Ankündigung aus Amman publik. Abdullah fordert von Israel die in einem Annex zum Friedensvertrag von 1994 überlassenen Gebiete an der jordanisch-israelischen Grenze zurück. Beide Grenzgebiete will er nicht weiter an Israel verpachten, die Frist für die Verlängerung wäre der 25. Oktober gewesen.

"Al-Baqura und al-Ghamr sind jordanisches Land und werden jordanisch bleiben", erklärte König Abdallah II. in einer Ansprache am vergangenen Sonntag. Al-Baqura (hebräisch: Naharayim) ist sechs Quadratkilometer groß und liegt auf der jordanischen Seite in der Nordprovinz Irbid, al-Ghamr (hebräisch: Zofar) misst vier Quadratkilometer und befindet sich in der Südprovinz Aqaba. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu reagierte relativ gelassen auf die Ankündigung und erklärte bei der Gedenkveranstaltung für den 1995 ermordeten Rabin, er wolle über eine Verlängerung der Pacht verhandeln.

Israelische Soldaten patrouillieren am Grenzzaun von Naharayim. Die Jordanier nennen das sechs Quadratkilometer große Gebiet Al-Baqura und fordern es zurück. (Foto: Menahem Kahana/AFP)

Abdullahs Vater, König Hussein, hatte den Vertrag mit Rabin in Washington unterzeichnet. Die Vereinbarung zwischen den Nachbarn galt für eine Dauer von 25 Jahren und sollte sich automatisch verlängern, wenn keine der beiden Parteien sie ein Jahr vor Ablauf des Abkommens aufkündigt. Jordanien hatte 1994 als zweites arabisches Land nach Ägypten einen Friedensvertrag mit Israel geschlossen.

Da etwa zwei Millionen der Einwohner Jordaniens palästinensischer Herkunft sind, die sich mit den Palästinensern im Westjordanland und im Gazastreifen solidarisch zeigen, blieb das Verhältnis zwischen den Nachbarn stets belastet. Seit US-Präsident Donald Trump im Mai die Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegte und die Mittel für die Palästinenser kürzte, stieg auch der Druck auf das jordanische Königshaus, sich stärker für die Zweistaatenlösung zu engagieren. Jordanien fungiert gemäß dem Friedensabkommen als Hüter der heiligen islamischen Stätten in Ostjerusalem, das die Palästinenser als ihre Hauptstadt eines zu gründenden Staates beanspruchen.

Bereits die Tempelbergkrise im vergangenen Jahr hatte Demonstranten auf Ammans Straßen getrieben. Nachdem im Sommer 2017 ein israelischer Wachmann zwei Jordanier auf dem Botschaftsgelände in Amman erschossen hatte, kam es zu einer heftigen, wenn auch kurzzeitigen diplomatischen Krise zwischen Jordanien und Israel. Seit Kurzem sind wieder Botschafter in Tel Aviv und Amman präsent. Im Juni hatte Abdullah zum ersten Mal seit vier Jahren Netanjahu empfangen.

Diese Annäherung wird nicht von allen in Jordanien positiv gesehen. In den vergangenen Wochen hatte es Demonstrationen in Amman gegeben, in denen die Rücknahme der Gebiete und die Aufkündigung des Friedensvertrags gefordert wurden. 87 Abgeordnete des Parlaments hatten in einer Petition gefordert, die beiden Gebiete wieder jordanischer Kontrolle zu unterstellen. Anders als den Friedensvertrag selbst hatte das jordanische Parlament den Annex 1994 nicht bestätigt.

Es bleibt noch Zeit für Verhandlungen. Doch es wird schon über Sanktionen spekuliert

Auch innenpolitisch erhöhte sich der Druck auf das Königshaus in den vergangenen Monaten. Ende Mai 2018 demonstrierten landesweit Tausende Jordanier gegen geplante Steuererhöhungen und Preissteigerungen. Es dauerte acht Tage, bis Ministerpräsident Hani al-Mulki und die Regierung ihren Rücktritt einreichen mussten und der Gesetzesentwurf zurückgezogen wurde. Eine härtere Linie gegenüber Israel zu verfolgen, gilt seit jeher immer auch als eine Befriedung der öffentlichen Meinung. So ist es auch diesmal: Die Forderung von Abdullah II. wird als Sieg gefeiert, die Stimme des Volkes sei erhört worden, berichteten lokale Fernsehsender.

Jordaniens Ankündigung könnte das Verhältnis zwischen den beiden Staaten nun weiter verschlechtern. In Teilen der Medien wird bereits spekuliert, Israel werde wohl über Sanktionen nachdenken, falls Abdullah II. sich nicht auf Verhandlungen über eine Verlängerung des Abkommens mit Netanjahu einlässt. Die akute Wasserknappheit im Land könnte sich verschärfen. Jordanien benötigt vor allem das Wasser aus dem See Genezareth, durch den der Jordan fließt. Der Friedensvertrag von 1994 regelt auch die Wasserentnahme. Etwa 35 israelische Bauern bestellen die Felder nahe des Sees Genezareth in einem der beiden gepachteten Gebiete. Sie leben in einem Moschav, einem genossenschaftlich organisierten Ort, und bezahlen keine Pacht. Im Süden des Landes sind es etwa 30 Bauern, die das Brachland landwirtschaftliche nutzen. Sie alle hoffen, dass in Verhandlungen nun doch noch eine Lösung gefunden wird und sie bleiben können - ein Jahr Zeit ist noch.

© SZ vom 23.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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