Nahost-Konflikt:Gipfel der kleinen Erwartungen

Lesezeit: 3 min

Im Zentrum des Konflikts: Israels Siedlungsbau, der die international angestrebte Zweistaatenlösung Haus für Haus unmöglich macht. (Foto: Menahem Kahana/AFP)

Die Friedenskonferenz in Paris hält an der Zweistaatenlösung fest. Doch Israel und Palästinenser sind nicht dabei.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Der Friedensprozess für den Nahen Osten gleicht in letzter Zeit eher einer Prozession: Mal wird über den ewigen Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern bei den Vereinten Nationen in New York verhandelt, mal kommt ein Zwischenruf aus Washington, mal schaltet sich Moskau ein oder Kairo. An diesem Sonntag wird es auf dieser Prozession ins Nirgendwo einen Halt in Paris geben, wo die französische Regierung als Gastgeber einer groß angekündigten Nahost-Friedenskonferenz glänzen will. Vertreter von mehr als 70 Staaten und Organisationen werden erwartet. US-Außenminister John Kerry kommt zur letzten Amtshandlung, flankiert von Kollegen aus Europa und arabischen Staaten.

Doch fehlen werden die, um die es geht: Israelis und Palästinenser. Von Jerusalem aus schießt Premierminister Benjamin Netanjahu mit schwerem Geschütz in Richtung Frankreich. Diese Veranstaltung, wettert er, sei "eine manipulierte Konferenz, manipuliert von den Palästinensern mit französischer Schutzherrschaft mit dem Ziel, weitere anti-israelische Beschlüsse zu fassen". Was Netanjahu "anti-israelisch" nennt, ist für den in Paris versammelten Rest der Welt, darunter die engsten Verbündeten Israels, ein vielleicht letzter Versuch zur Rettung der Zweistaatenlösung. Wie sehr die Zeit dafür drängt, hatte am 23. Dezember die UN-Resolution 2334 deutlich gemacht. Darin war Israels Siedlungsbau verurteilt worden, weil er wegen des Landraubs Haus für Haus die international angestrebte Gründung eines Palästinenserstaats unmöglich mache. Kurz darauf hatte John Kerry in einer ungewöhnlich Israel-kritischen Rede in die gleiche Kerbe geschlagen. Und nun kommt noch ein Impetus aus Paris hinzu mit der von Präsident François Hollande vorausgeschickten Warnung, dass eine Abkehr von der Zweistaatenlösung Israels Sicherheit untergrabe.

Allzu große Erwartungen an die Konferenz aber hegt selbst Frankreichs Staatschef nicht mehr. Vor einem Jahr war diese Friedensinitiative mit einigem Aplomb vom damaligen Außenminister Laurent Fabius gestartet worden. Im Juni hatten sich dann immerhin die Vertreter von 30 Staaten in Paris versammelt und Arbeitsgruppen gebildet. Nun sollen die Ergebnisse in eine gemeinsame Erklärung fließen. Doch den Weg zum Frieden weisen kann ein solches Papier wohl kaum. "Ich bin Realist", sagte Hollande. "Frieden wird von Israelis und Palästinensern erzielt, und von niemand anderem. Nur bilaterale Verhandlungen können erfolgreich sein."

Doch diese Verhandlungen in Gang zu bringen, ist der französischen Diplomatie trotz großer Anstrengungen nicht gelungen - obwohl dies das ursprünglich einzige Ziel der Initiative war. Nach dem Scheitern aller amerikanischen Bemühungen sollte so ein Vakuum gefüllt werden. Verhindert wurde auch dies durch die verhärteten Fronten. Zwar haben die Palästinenser die Pariser Initiative begrüßt, Israel jedoch hat sie von Beginn an boykottiert. Netanjahus Mantra lautet, dass internationale Einmischung schädlich ist, er aber jederzeit zu "direkten Gesprächen ohne Vorbedingungen" mit Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas bereit sei. Als Hollande jedoch daraufhin Netanjahu und Abbas zu einem Treffen in Paris einen Tag nach der Nahost-Konferenz einlud, konterte Netanjahu, er würde nur kommen, wenn zuvor die Konferenz abgesagt würde.

Das also ist die reichlich verfahrene Ausgangslage für das Pariser Treffen. Viel mehr als zahnlose Appelle und Angebote dürften am Ende kaum herauskommen. In einem Entwurf für die Abschlusserklärung, der der Zeitung Haaretz zugespielt wurde, werden Netanjahu und Abbas aufgerufen, ihre Unterstützung der Zweistaatenlösung noch einmal offiziell zu bekräftigen - und in ihren eigenen Reihen gegen jene vorzugehen, die dagegen arbeiten. In Israel zielt das auf Netanjahus rechte Koalitionspartner wie Erziehungsminister Naftali Bennett, der eine Annexion von Palästinensergebieten fordert. Im Umfeld von Abbas richtet sich das gegen Kräfte in der Autonomiebehörde und der Fatah, die zur Gewalt gegen Israel aufstacheln.

Für Premier Netanjahu ist die Veranstaltung "der letzte Atemzug der Vergangenheit"

Bekräftigt wird in der Erklärung aller Voraussicht nach auch die international weitgehend konsensfähige Position zur Grenzziehung zwischen Israel und einem Palästinenserstaat: Sie soll einschließlich Jerusalems auf Basis der Waffenstillstandslinie vor dem Sechstagekrieg von 1967 stattfinden, mit der Möglichkeit zum Landtausch. Daraus folgt, dass die beteiligten Staaten, wie es im Entwurf heißt, "in all ihren Handlungen unterscheiden zwischen israelischem Staatsgebiet und den Siedlungen auf besetztem Gebiet". Neben den Aufrufen wollen die Teilnehmer der Pariser Versammlung aber auch versuchen, die abwesenden Kontrahenten mit gezielten Anreizen zurück auf den Friedenskurs zu bringen. Dazu gehört Hilfe für die Palästinenser beim Aufbau der Wirtschaft und der politischen Institutionen. Angeboten werden soll in diesem Rahmen auch eine Aufwertung der jeweiligen Beziehungen zur EU.

Am Ende dürfte das alles jedoch wenig Neues für Nahost bedeuten. Sowohl die französische als auch die amerikanische Regierung haben überdies relativ deutlich gemacht, dass die Pariser Ergebnisse keine Blaupause sein sollen für eine weitere UN-Resolution. Dies war lange als Befürchtung durch Jerusalem gegeistert - gewissermaßen als finale Aktion des US-Präsidenten Barack Obama, bevor der am nächsten Freitag an Donald Trump übergibt. Mit Blick darauf hat Netanjahu dann noch eine weitere Spitze gen Paris geschickt: Die Konferenz, so spottete er, "sei der letzte Atemzug der Vergangenheit, bevor die Zukunft beginnt".

© SZ vom 14.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: