SPD-Chefin Andrea Nahles hat nach dem niederschmetternden Wahlergebnis bei der Europawahl und in Bremen ihren Rücktritt als Partei- und Fraktionschefin angekündigt. Sie wolle damit die Möglichkeit eröffnen, dass in beiden Funktionen in geordneter Weise die Nachfolge geregelt werden könne, teilte sie am Sonntag mit. Eine Sprecherin teilte mit, Nahles werde auch ihr Bundestagsmandat niederlegen.
Die Diskussion in der Fraktion und viele Rückmeldungen aus der Partei hätten ihr "gezeigt, dass der zur Ausübung meiner Ämter notwendige Rückhalt nicht mehr da ist". Wer Nahles an der Parteispitze und als Fraktionschef nachfolgen wird und wann darüber entschieden werden kann, ist offen. Ein außerordentlicher Parteitag, bei dem über eine Nachfolge an der Parteispitze entschieden werden könnte, muss mindestens einen Monat vorher anberaumt werden. Denkbar ist aber auch Mitgliederentscheid.
Die SPD hatte bei den Europawahlen am vergangenen Sonntag erneut heftige Verluste hinnehmen müssen. Die Sozialdemokraten erhielten gerade einmal 15,8 Prozent der Stimmen (minus 11,5 Prozent). Vor allem bei jungen Wählern schnitt die Partei schlecht ab. Bei der Bürgerschaftswahl im traditionell roten Bremen fiel die SPD erstmals hinter die CDU zurück.
Eine parteiinterne Debatte um Nahles war jedoch schon im Vorfeld entbrannt. Um die Personaldiskussionen zu beenden, hatte die 48-Jährige die Abstimmung über den Fraktionsvorsitz ursprünglich vorziehen wollen. Am Dienstag sollte die Partei entscheiden, ob Nahles weiter die Fraktion führen soll. Mit ihrem Rücktritt kommt sie dieser Entscheidung nun überraschend zuvor.
Die CDU will an der großen Koalition festhalten
Die frühere Generalsekretärin war seit April 2018 SPD-Chefin und die erste Frau in diesem Amt. Die Fraktion führt sie seit September 2017. Formal will Nahles am Montag im Parteivorstand ihren Rücktritt vom Parteivorsitz erklären. Am Dienstag wolle sie dann in der Bundestagsfraktion ihren Rücktritt vom Fraktionsvorsitz erklären.
Die CDU-Führung rief nach Nahles' Rücktritt zu einer Fortführung der großen Koalition auf. Alle in der CDU sollten die eigene Bereitschaft verdeutlichen, weiter dem Regierungsauftrag gerecht zu werden, hieß es am Sonntag in der CDU-Führung. Die CDU-Spitze wollte sich noch vor Beginn der Spitzenklausur am späten Nachmittag über das weitere Vorgehen beraten.
SPD-Vize und Finanzminister Olaf Scholz drückte sein Bedauern über die Entscheidung von Andrea Nahles aus. "Das Land und die SPD haben Andrea Nahles viel zu verdanken", sagte er. In schwierigen Zeiten habe sie die Verantwortung übernommen und den Erneuerungsprozess in der Partei begonnen. "Die SPD befindet sich nicht erst seit der Europawahl in einer schwierigen Lage - wichtig ist daher, dass wir zusammenbleiben und die nächsten Schritte gemeinsam gehen", erklärte Scholz. Zu seinen Ambitionen als möglicher Nachfolger von Nahles äußerte er sich nicht.