Nach Wahlsieg Ahmadinedschads:"Explosive Situation" in Iran

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Vertreter des Reformlagers festgenommen, Verletzte bei Straßenschlachten, das Mobilfunknetz gesperrt: In Iran ist die Lage nach dem offiziell erklärten Wahlsieg Mahmud Ahmadinedschads extrem gespannt.

In Iran sind offenbar mehrere Vertreter des reformorientierten politischen Lagers festgenommen worden. Unter ihnen sei der Generalsekretär der Front der Partizipation, Mohsen Mirdamadi, teilte ein ranghoher Vertreter der Gruppierung, Radschab-Ali Masruie, am Sonntag mit.

"Explosive Situation": Unterstützer des gemäßigt konservativen Kandidaten Mir-Hossein Mussawi in Teheran. (Foto: Foto: AFP)

Den Angaben zufolge steht Mirdamadi Ex-Präsident Mohammed Chatami nahe, der vor der Präsidentenwahl eine Wahlempfehlung für den gemäßigt konservativen Kandidaten Mir-Hossein Mussawi abgegeben hatte. Laut Masruie sind unter den Festgenommenen auch der frühere Vizeinnenminister Mostapha Tadschadeh und der ehemalige Vizeaußenminister Mohsen Aminsadeh.

Die Festgenommen gehören demnach der Front der Partizipation und der Mudschahedin-Organisation für die islamische Revolution an. Die beiden Gruppen unterstützten Mussawi bei der Präsidentenwahl vom Freitag. Mussawi, der laut dem offiziellen Wahlergebnis deutlich abgeschlagen hinter Amtsinhaber Mahmud Ahmadinedschad auf dem zweiten Platz landete, will das Wahlergebnis wegen "Unregelmäßigkeiten" nicht anerkennen.

Mehrere Menschen wurden bei den schwersten Unruhen im Land seit der Islamischen Revolution vor 30 Jahren verletzt. Die Unruhen begannen unmittelbar nach einer Siegesrede von Alt- und Neu- Präsident Ahmadinedschad im Fernsehen, der kurz zuvor zum Sieger der Präsidentschaftswahl erklärt worden war. Unmittelbar danach gingen mehrere tausend Anhänger des unterlegenen Kandidaten Mir Hussein Mussawi auf die Straßen und protestierten gegen den vermeintlichen Wahlbetrug.

Die Polizei setzte Knüppel und Tränengas gegen die Demonstranten ein. In der iranischen Hauptstadt gingen daraufhin zahlreiche Fahrzeuge, Reifen und Mülltonnen in Flammen auf, über einigen Stadtteilen hingen dichte Rauchwolken.

Beobachter sprachen von einer "explosiven Situation" in Teheran, am Abend war auch das Mobilfunknetz abgeschaltet worden. Zuvor schon war das SMS-Netz gekappt worden. Zusätzlich drohte in Iran am Sonntag auch die vollständige Stilllegung aller Internet-Verbindungen.

In seiner Siegesrede am Abend sprach Ahmadinedschad von dem Beginn einer neuen Ära. Die Menschen in Iran seien nun voller Hoffnung. Die Wahl habe auch gezeigt, dass die Menschen wollten, dass Iran respektiert werde, erklärte der Präsident. Zu den Vorwürfen, es habe Manipulationen bei der Auszählung gegeben, sagte er, das Ergebnis sei eindeutig. Mussawi, auf dessen Wahlsieg der Westen gehofft hatte, zweifelte dagegen das Ergebnis an.

Er sprach von "Lügen" und einer "gefährlichen Inszenierung". Ahmadinedschad hat bei der Wahl nach offiziellen Angaben über 62 Prozent der Stimmen erhalten, Mussawi kam demnach auf 34 Prozent.

Auf Bildern ausländischer Fernsehsender wurden einzelne Szenen der gewaltsamen Zusammenstöße gezeigt. Die Behörden drohten ausländischen Journalisten am Abend die Beschlagnahme ihrer Kameras und Fotoapparate an, sollten die Reporter damit auf den Straßen Teherans angetroffen werden. Zudem hieß es, dass der Aufenthalt ausländischer Journalisten, die nur zur Berichterstattung über die Wahlen nach Teheran gekommen waren, nicht verlängert werden sollte.

In der Vali Asr Straße im Norden von Teheran wurden nach Augenzeugenberichten drei Frauen und zwei Männer verletzt und in nahe legende Krankenhäuser gebracht. Alle fünf waren Anhänger des bei den Präsidentschaftswahlen unterlegenen Kandidaten Mir Hussein Mussawi. Es war jedoch unklar, ob die Verletzungen durch Zusammenstöße mit der Polizei oder mit Regierungsanhängern verursacht wurden.

EU zeigt sich besorgt

Die EU äußerte sich besorgt über die Entwicklung. "Die Präsidentschaft ist besorgt über angebliche Unregelmäßigkeiten während des Wahlprozesses und die Gewalt, die direkt nach der Bekanntgabe der offiziellen Wahlergebnisse ausbrach", heißt es einer Erklärung des tschechischen EU-Vorsitzes, die am Samstagabend in Prag verbreitet wurde. Man hoffe, dass Iran den Dialog in Nuklearfragen wieder aufnehmen und seine internationalen Verpflichtungen einhalten werde, hieß es weiter.

Die US-Regierung reagierte zunächst zurückhaltend. Washington hoffe, dass "das Ergebnis den wahren Willen und den Wunsch des iranischen Volkes spiegelt", sagte Außenministerin Hillary Clinton während eines Besuchs in Kanada am Samstag. Die USA verfolgten die Entwicklungen in Iran genau. Der kanadische Außenminister Lawrence Cannon erklärte, sein Land sei "tief besorgt" über Berichte, nach denen es zu Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen bekommen sei.

Israel betonte nach Verkündung von Ahmadinedschads Sieg die Gefahr einer nuklearen Bedrohung durch den Erzfeind. Das Resultat sei ein klares Signal dafür, dass es für die gegenwärtige Politik in Iran eine breite Unterstützung gibt, "und es wird so weitergehen", sagte Vize-Ministerpräsident Silvan Schalom in Jerusalem. "Die Vereinigten Staaten und die freie Welt müssen die Politik in Bezug auf die nuklearen Ambitionen Teherans überdenken", sagte er.

© dpa/AFP/segi - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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