Nach der US-Wahl:Residenz zu besichtigen

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Gerade als US-Präsident Bush seinen Nachfolger im Weißen Haus empfängt, sickern Barack Obamas Pläne zur Schließung des Gefangenenlagers Guantanamo durch.

Jörg Häntzschel

Der designierte US-Präsident Barack Obama lässt wenige Tage nach seinem Wahlsieg die Schließung des Gefangenenlagers Guantanamo auf Kuba vorbereiten. Seine Berater arbeiten an entsprechenden Plänen. Demnach soll ein Teil der etwa 255 Häftlinge freigelassen, ein anderer vor reguläre Gerichte in den USA gestellt werden.

Präsident Bush und First Lady Laura Bush empfingen Michelle und Barack Obama vor dessen künftigem Amts- und Wohnsitz. (Foto: Foto: dpa)

Für eine dritte Gruppe erwägen Obamas Berater, einen neuen Typ von Gerichtssystem zu schaffen: Es soll auf Fälle spezialisiert sein, die von hoher Bedeutung für die nationale Sicherheit sind. Die nun vorgeschlagene Lösung dürfte auf breite Kritik stoßen. Die Republikaner sind strikt dagegen, mutmaßliche Terroristen ins Land zu bringen. Linke Bürgerrechtsorganisationen sprechen sich gegen ein neues Gerichtssystem mit weniger Rechten für Angeklagte aus.

Die Pläne sickerten fast gleichzeitig mit dem ersten Besuch des zukünftigen Präsidenten im Weißen Haus durch. Präsident Bush und First Lady Laura Bush empfingen Michelle und Barack Obama am frühen Montagnachmittag vor dessen künftigem Amts- und Wohnsitz.

Erster Besuch im Oval Office

Nach einem kurzen Rundgang zogen sich Bush und Obama zu einem 90-minütigen Treffen unter vier Augen ins Oval Office zurück. Es war nicht nur Obamas erster Besuch im Oval Office, sondern auch seine erste längere Unterhaltung mit Bush. Obama hatte zuvor gesagt, er erwarte sich ein "substantielles Gespräch". Laura Bush führte Michelle Obama währenddessen durch die Präsidentenwohnung.

Bush und seine Frau begrüßten die Obamas wie Gäste bei einem Staatsbesuch. Allerdings fehlte das protokollarische Zeremoniell, und es wurden keine Reden gehalten. Bush begrüßte seinen Nachfolger mit einem Handschlag, Obama legte Bush mehrmals die Hand auf die Schulter. Dagegen begrüßten sich die beiden Frauen mit einem Wangenkuss.

Für den Besuch des neugewählten Präsidenten bei seinem Vorgänger lassen sich beide Seiten üblicherweise Zeit bis Dezember. Doch der Druck der enormen Probleme, vor denen die USA stehen, ist so groß, dass jeder Tag zählt.

Erst in den letzten Tagen sorgten die schnell steigende Arbeitslosigkeit und die Warnung von General Motors, ohne staatliche Hilfe in wenigen Monaten Gläubigerschutz anmelden zu müssen, für große Beunruhigung. Das frühe Treffen ist ein Beleg dafür, dass es Bush ernst war, als er nach der Wahl ankündigte, alles zu tun, um die Amtsübergabe so reibungslos wie möglich zu gestalten. Diese soll offiziell am 20. Januar stattfinden.

"Sehr liebenswürdig"

Obama hatte die frühe Einladung ins Weiße Haus "sehr liebenswürdig" genannt. Bush wiederum hatte unmittelbar vor der Begegnung seinen Nachfolger gepriesen: "Unsere Bürger haben einen Präsidenten gewählt, der den Triumph der American Story repräsentiert - das Vermächtnis von harter Arbeit, Optimismus und dem fortdauernden Versprechen unserer Nation."

Trotz Bushs Versuch, noch einige umstrittene Gesetze zu unterschreiben, und trotz des Finanz-Gipfeltreffens, zu dem er die G-20-Nationen für Ende der Woche eingeladen hat, erscheinen die USA derzeit führungslos. Bushs niedrige Popularität bekräftigt diesen Eindruck. Nach neuen Umfragen sind nur 23 Prozent der Amerikaner zufrieden mit seiner Arbeit. Er ist damit weniger beliebt als alle scheidenden Präsidenten vor ihm.

© SZ vom 11.11.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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