Nach der Messerattacke in Dresden:Streit über Abschiebestopp nach Syrien

Lesezeit: 2 min

Bundesinnenminister Seehofer will Straftäter und islamistische Gefährder in "befriedete Gebiete" abschieben. Das Auswärtige Amt widerspricht. Die Sicherheitslage in Syrien bleibe "volatil", die humanitäre Lage "katastrophal"

Von Constanze von Bullion, Berlin

Nach dem tödlichen Messerangriff in Dresden hat Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) den Abschiebestopp nach Syrien infrage gestellt. Außenminister Heiko Maas (SPD) ließ allerdings bereits erkennen, dass er in dem Bürgerkriegsland keine nennenswerten Fortschritte bei Sicherheit und Menschenrechten erkennen kann. Die Lage in Syrien sei "sehr volatil", sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amts am Freitag in Berlin. "Die humanitäre Lage ist katastrophal." Syrer seien weiter zahlreichen Gefahren ausgesetzt, "auch vom Regime selbst her, das weiterhin rücksichtslos gegen die eigenen Staatsbürger vorgeht".

Das darf als erste Absage an Seehofer gelten. Er hatte am Donnerstagabend angekündigt, überprüfen zu wollen, ob der generelle Abschiebestopp nach Syrien gelockert werden sollte. "Ich werde sehr dafür eintreten, dass wir überprüfen, ob man nicht nach Syrien in die befriedeten Gebiete abschieben kann", sagte Seehofer. Anlass war ein Messerangriff in Dresden, bei dem am 4. Oktober ein Mensch getötet und ein zweiter verletzt worden war. Tatverdächtig ist ein 20 Jahre alter Syrer, der 2015 als Flüchtling nach Deutschland kam und nach Medienberichten bereits zwei Jahre später als islamistischer Gefährder eingestuft worden sein soll. Bis vor Kurzem saß er in einem Jugendgefängnis und sollte überwacht werden. Die Tat habe "offenbar einen radikal-islamistischen Hintergrund", sagte Seehofer. Auch über ein homophobes Tatmotiv wurde am Freitag spekuliert. Genaueres ermittelt die Bundesanwaltschaft.

Dass der Tatverdächtige Deutschland nicht verlassen musste, geht auf das Abschiebeverbot für Syrer zurück, das bis Ende Dezember gilt. Anders etwa als Afghanen dürfen Syrerinnen und Syrer auch dann nicht abgeschoben werden, wenn sie schwere Straftaten begangen haben. Grundlage ist ein Lagebericht des Auswärtigen Amtes. Sinngemäß geht daraus hervor, dass das Leben von Rückkehrern nach Syrien gefährdet ist und schwere Menschenrechtsverletzungen nicht ausgeschlossen werden können. In solchen Fällen sind Abschiebungen verboten.

Auch Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) würde diese Regelung gern lockern, theoretisch. "Ich würde es grundsätzlich sehr begrüßen, wenn wir zukünftig Straftäter und Gefährder - spätestens nach Verbüßung ihrer Strafe - auch wieder nach Syrien abschieben könnten und die dafür erforderlichen Voraussetzungen wieder gegeben wären", sagte er. Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) warnte hingegen vor reflexhaften Forderungen. De facto könne man Straftäter gar nicht nach Syrien bringen, weil es dort an "ansprechbaren Behörden" fehle. Außerdem verstießen solche Abschiebungen "gegen völkerrechtliche Grundsätze". Knapp 60 Prozent der rund 800 000 Syrer in Deutschland fallen unter den Schutz der Genfer Flüchtlingskonvention, die übrigen genießen meist subsidiären Schutz.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: