Problem Abfallentsorgung:Der üble Handel mit dem Müll

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Fischerboote am vermüllten Strand von Jakarta. Indonesien importiert Abfall für die Recyclingwirtschaft, obwohl das Land schon mit eigenen Mengen genügend Probleme hat. (Foto: Bagus Indahono/dpa)

China wird von 2021 an keinen Abfall mehr für andere Industrienationen entsorgen. Der unkontrollierte Handel ist zu einem globalen Problem geworden. Auch Deutschland verschickt jedes Jahr tonnenweise altes Plastik an Länder in Südostasien.

Von David Pfeifer, Bangkok

Einer der seltsamsten Zweige unserer auf andauernden Verbrauch ausgerichteten Wirtschaft ist der Müll. Denn Abfall ist ja nicht nur, was vom Konsum übrig bleibt, sondern wiederum ein Geschäft, wenn er im großen Stil verschifft wird.

Nun verkündete Peking am 27. November dieses Jahres, dass der Import von Müll vom 1. Januar 2021 an gestoppt werde. Die Ministerien für Ökologie und Umwelt, für Handel sowie die Zollbehörden gaben bekannt, dass die Aufnahme, Aufbewahrung und Entsorgung von Abfall aus Übersee auf null heruntergefahren werde. Bereits in den Jahren 2018 und 2019 war die aufgenommene Menge von 22,63 Millionen auf 13,38 Millionen Tonnen gefallen.

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Wenn China nun gar keinen Müll mehr aufnimmt, wird dieser dadurch nicht nur zum Problem der Nachbarn, sondern für die ganze Welt. Von Deutschland beispielsweise wird Abfall nach Malaysia verschifft, um sich in dortigen Müllkippen zu Bergen aufzuschichten.

Die New York Times berichtete ebenfalls in diesem November, dass die USA weiterhin nicht die erforderliche Infrastruktur haben, um den eigenen Müll zu recyceln - und deswegen über die Hälfte davon exportieren, laut einer Untersuchung, die im wissenschaftlichen Fachmagazin Science Advances seit 2015 in Fortschreibungen veröffentlicht wird. 88 Prozent des ausgeführten Mülls der USA landet in Ländern, die keinen ordentlichen Umgang damit pflegen.

Länder in Südostasien schickten Container zurück an den Absender

"Wenn man bedenkt, wie viel von unserem Plastik nicht wirklich recycelbar ist, weil es kaum Wert hat, kontaminiert oder verschmutzt ist, kann es niemanden überraschen, dass eine Menge davon einfach in der Umwelt landet und diese belastet." sagte Kara Lavender Law, Chef-Autorin der Untersuchung und Professorin für Ozeanographie der New York Times.

Die neuen Maßnahmen der chinesischen Regierung sind eine Konsequenz aus den Beschlüssen, die bereits im Jahr 2017 gefasst wurden. Seitdem wurde kein Plastik mehr eingeführt, das weniger als 99,5 Prozent rein ist, es kam Bewegung in den mehr als 200 Milliarden US-Dollar schweren Müllmarkt. Dabei ist es nahezu unmöglich, Abfälle in dieser Reinform zu exportieren, sie sind kontaminiert durch Essensreste oder andere Stoffe wie Etiketten oder Folie. Obendrein muss Plastik aufwendig getrennt werden, durchsichtige Mineralwasserflaschen können beispielsweise nicht gemeinsam mit bunten Energy-Drink-Flaschen weiter verarbeitet werden.

Eine Frau sammelt importierten Plastikmüll in Surabaya, Indonesien, um ihn zu einer Recycling-Anlage zu bringen. (Foto: Ulet Ifansasti/Getty Images)

Indonesien, Indien, Thailand, Vietnam und Malaysia übernahmen den Handel. Doch sie waren schnell überfordert von den schieren Mengen, zumal sie sich vermehrt um den eigenen Müll kümmern müssen. Also stoppten auch sie die Aufnahmen oder schickten die Abfälle schlicht zurück. Wenig später stapelte sich der Müll in den Industrienationen.

Dieser Rückstau wird sich nach den chinesischen Beschlüssen in 2021 noch steigern. Laut einer Untersuchung der Weltbank aus diesem Jahr bleiben die USA weiter die Nummer eins unter den Müllmachern pro Kopf, gefolgt von Großbritannien, Südkorea - und Deutschland. Die Europäische Gemeinschaft ist der größte Plastikabfall-Exporteur weltweit.

Die Pandemie dürfte das Müllaufkommen noch vergrößern

Jeder Deutsche verursacht laut einer Greenpeace-Studie aus diesem Mai schon in Nicht-Covid-19-Zeiten jährlich etwa 220 Kilogramm Verpackungsmüll, knapp 40 Kilogramm davon sind Plastik. Für das gute Gewissen wird fleißig getrennt, trotzdem landen laut Außenhandelsstatistik tonnenweise Plastikreste aus Deutschland auf malaysischen Müllkippen. Manchmal wird der Müll zwischen verschiedenen Ländern hin- und herverschachert und schließlich abgefackelt, um Platz für neuen Abfall zu machen, mit den erwartbaren Folgen für Luft, Wasser und Boden.

In der Corona-Pandemie ist der Verbrauch noch mal gestiegen, allein durch den Onlinehandel, mit Geräte- und Nahrungsverpackungen. Viele Deutsche nutzten die Ausgangsbeschränkungen außerdem, um auszumisten und wegzuwerfen. Genauere Daten dazu liegen naturgemäß erst im kommenden Jahr vor.

Hinzu kommt, dass die Erdölpreise im vergangenen Jahr gesunken sind, dadurch, so hieß es im Statusbericht der deutschen Kunststoffverwerter, "ist der Einsatz von Primärware für die Kunststoffherstellung günstiger als der Einsatz von Rezyklaten". Es wird also eher neues Plastik produziert als altes wieder verwendet. Der Aufwand lohnt sich nicht. Doch der Abfall lässt sich auch nicht endlos exportieren.

Idealerweise wird der Müll in Ländern mit niedrigeren Lohnkosten wiederverwertet, Plastik und Metall getrennt und eingeschmolzen. So war das auch in China seit den 1980er-Jahren, als das Land zum größten Importeur wurde. Im weniger idealen Fall wird der nicht wiederverwertbare Müll in die Flüsse oder ins Meer gekippt. Der Schmuggel und die illegale Entsorgung sind seit dem Rückzug Chinas für einige Länder Südostasiens zu einem Riesenproblem geworden.

Die reichsten Länder produzieren ein Drittel des Weltmülls

Malaysia erstickte in den vergangenen Jahren fast im Abfall. Malaysias Recycling- und Entsorgungsindustrie macht jährlich 7,2 Milliarden Dollar Umsatz. In den vergangenen Jahren wurden dort über 200 illegale Entsorger dichtgemacht. "Ich hasse es, mein Land als Müllkippe der ersten Welt zu sehen", sagte Yeo Bee Yin, bis Frühjahr 2020 Ministerin für Energie, Technik, Wissenschaft, Klimawandel und Umwelt in einem Interview mit National Geographic im Jahr 2018. Ein Jahr später schickte Malaysia tatsächlich 4100 Tonnen Plastikmüll in 13 Länder zurück, aus denen er gekommen war.

Laut einer Weltbank-Untersuchung verursachen die Länder mit den höchsten Pro-Kopf-Einkommen ein Drittel des Weltmülls, obwohl sie nur 16 Prozent der Erdbevölkerung beherbergen. Nur ein Viertel des gesamten Abfalls fällt hingegen im dicht bevölkerten Südostasien an.

Neben Malaysia sind auch Indonesien und die Philippinen in Streitereien über Müll mit der westlichen Hemisphäre geraten. Kanada hatte im vergangenen Jahr 2700 Tonnen falsch ausgezeichneten Abfall geschickt, die Präsident Rodrigo Duterte zurücksenden wollte. In der ihm eigenen Art zog er zunächst Diplomaten ab und drohte anschließend mit einer Kriegserklärung - oder den Müll im kanadischen Hoheitsgebiet ins Meer zu kippen. Kanada nahm den Abfall schließlich zurück.

Laut einer Studie im Magazin Nature wurde bereits 2017 nachgewiesen, dass von den 20 Flüssen, die am meisten Plastikmüll ins Meer abführen, 15 in Asien liegen, sechs davon in China. Dass China den Müllimport stoppt, hatte also zwei große Gründe: die Umweltverschmutzung im eigenen Land ist zum Problem geworden. Außerdem wirken sich steigende Lohnkosten aus. Nachdem nun auch Malaysia, Vietnam, Thailand, Indien und Indonesien ihre Einfuhr stärker regulieren, wandert der Handel weiter nach Bangladesch, Laos, Äthiopien und Senegal. Der einzige Weg aus der Misere wäre wohl, auch diesen Ländern zu helfen, ihren Wohlstand zu steigern und die Abfallentsorgung zu reglementieren. Doch wohin dann mit dem Müll?

In "Der Abfall der anderen" vom 30. Dezember auf Seite 7 stand, Malaysia habe 4,1 Tonnen Plastikmüll in 13 Länder zurückgeschickt, aus denen er gekommen war. Kanada habe in einem Jahr 2,7 Tonnen falsch deklarierten Abfall auf die Philippinen geschickt. Die Zahlen sind falsch. Es ging um 4100 beziehungsweise 2700 Tonnen.

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