Mordfall Anna Politkowskaja:Skepsis in Russland

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Im Fall der Journalistin Politkowskaja feiert die russische Staatsanwaltschaft die Aufklärung des Verbrechens - die russische Presse hat Zweifel.

Die russische Justiz ermittelt gegen die Verhafteten im Fall der getöteten regierungskritischen Journalistin Anna Politkowskaja wegen weiterer politischer Morde.

Anna Politikowskaja (Foto: Foto: dpa)

Wie russische Medien unter Berufung auf die Ermittlungsbehörde berichteten, könnten die mutmaßlichen Täter demnach in Verbindung mit dem Mord am Chef der Bankenaufsicht, Andrej Koslow, im vorigen Jahr stehen. Auch der Tod des Chefredakteurs der russischen Ausgabe des Forbes- Magazins, Paul Klebnikov, könne auf das Konto der Verdächtigen gehen, schrieb die Zeitung Kommersant.

Die Generalstaatsanwaltschaft hatte am Montag die Festnahme von zehn Verdächtigen im Mordfall Politkowskaja verkündet und das Verbrechen als aufgeklärt bezeichnet.

Laut Medienberichten sollen drei der Verhafteten Brüder aus Tschetschenien sein. Die drei sollen den Mord an Politkowskaja vor deren Wohnung am 7. Oktober 2006 organisiert und ausgeführt haben.

Generalstaatsanwalt Juri Tschaika hatte erklärt, die Drahtzieher des Auftragsmordes säßen im Ausland. Sie hätten es auf einen Umsturz in Russland und auf eine "Herrschaft des Geldes und der Oligarchen" abgesehen.

Mit diesen Äußerungen belastete Tschaika nach Meinung russischer Medien den im Londoner Exil lebenden Kremlkritiker Boris Beresowski. Moskau beschuldigt den Oligarchen einer Vielzahl von Verbrechen. Großbritannien verweigert dessen Auslieferung.

Presse glaubt Staatsanwaltschaft nicht

Auf die Behauptung der Staatsanwaltschaft, der Mord an der regierungskritischen Journalistin Anna Politkowskaja sei praktisch aufgeklärt, reagierte die russische Presse mit unverholener Skepsis.

"Sie haben den Mörder im Ausland gefunden", schrieb die Wirtschaftszeitung Wedomosti ironisch. Der Staatsanwalt habe mit seinen Aussagen nur die Version bekräftigt, die der Kreml von Anfang an verbreitet habe.

Die Angabe Tschaikas, dass auch russische Geheimdienst- und Polizeiangehörige unter den festgenommenen Verdächtigen seien, bestätigt nach Einschätzung der Nowaja Gaseta die Verstrickung der Mächtigen in kriminelle Machenschaften. "Das ist genau der Zusammenschluss von Machtstrukturen und Kriminellen, über den Anna immer berichtet hat", schrieb das Blatt, für das die Ermordete gearbeitet hatte.

Politkowskaja war eine von wenigen unabhängigen und regierungskritischen Journalisten Russlands. Sie hatte wiederholt über Menschenrechtsverstöße in Tschetschenien und Korruption bei den russischen Behörden berichtet.

Der Mord an Politkowskaja galt international als Anschlag gegen demokratische Grundrechte wie die Presse- und Meinungsfreiheit. Nach Berichten russischer Medien sind seit dem Zerfall der Sowjetunion in Russland 219 Journalisten unter nicht vollständig geklärten Umständen ums Leben gekommen, davon in diesem Jahr fünf.

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