Montagsdemos gegen Stuttgart 21:Protest auf dem Abstellgleis

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Statt am Stuttgarter Hauptbahnhof: "Andere markante Orte" will die Stadt den S-21-Gegnern zum demonstrieren angeboten haben. (Foto: dpa)

Die Gegner von Stuttgart 21 gehen heute zum 200. Mal gegen das Bahnhofsprojekt auf die Straße. Doch viele Stuttgarter sind inzwischen genervt von dem Protest, der regelmäßig zu Staus und Verspätungen führt. Die Stadt will den Demonstranten deshalb einen neuen Ort zuweisen.

Von Roman Deininger, Stuttgart

Man hört die "Montagsdemo" gegen Stuttgart 21, bevor man sie sieht. Man hört sie schon, bevor sie überhaupt anfängt, jeden Montag um sechs. Man hört zunächst gar nicht mal die seltsam vertrauten Sprechgesänge, "Oben bleiben", "Lügenpack". Auch nicht den markerschütternden Chor der Trillerpfeifen. Das Erste, was man hört, sind: Fahrradklingeln.

Viele Tiefbahnhofsgegner kommen mit dem Rad zur Demo, ein selbst bemaltes Fähnchen am Gepäckträger, eins am Lenker. Sie radeln durch die halbe Stadt zum Hauptbahnhof, für dessen Erhalt sie kämpfen und vor dem sie sich seit vier Jahren zum rituellen Protest versammeln - an diesem Montag zum 200. Mal. Es könnte das letzte Mal sein am gewohnten Ort.

Die Jubiläumsdemonstration sollte ein Fest werden, eine Feier der eigenen Beharrlichkeit. 5000 Menschen erwarten die Organisatoren. 50.000 waren es mal 2010, als sie noch davon träumen durften, dass ihr Volksaufstand das Projekt wirklich stoppen könnte. Etwa 1000 sind es heute im Schnitt, nach zehrenden Jahren des Streits und einer klar verlorenen Volksabstimmung. Nur noch die ganz Kühnen träumen vom Ende von S 21. Und über das Fest werden sich wohl Wut und Wehmut legen.

Genervte Stuttgarter

Dabei hat Winfried Hermann, der kühne und grüne Landesverkehrsminister, den wackeren Aktivisten eben eine verdiente Girlande gewoben: "Die Protestbewegung in Stuttgart hat das historische Verdienst, dass unsere Demokratie verbessert und erweitert wird." Martin Schairer, der schwarze Ordnungsbürgermeister in Stuttgart, hatte am Samstag indes eine konkretere Botschaft für die Demonstranten: Sie sollen weg vom Bahnhof. Die Stadt will der Demo einen neuen Platz zuweisen. Der vielleicht bekannteste Bürgerprotest der Republik steht vor einer symbolkräftigen Zäsur.

Schairer sagt: "Wir tasten das Demonstrationsrecht nicht an, halten aber die Auswirkungen der Stuttgarter Bevölkerung gegenüber für nicht mehr zumutbar." Jeden Montagabend hätten die Busse der Innenstadtlinien im Schnitt 20 Minuten Verspätung, 30 Fahrten fielen ganz aus, 8500 Fahrgäste seien betroffen. Auf dem Cityring bilde sich regelmäßig ein gut ein Kilometer langer Stau. Tatsächlich sind viele Stuttgarter genervt von der Maßlosigkeit mancher S-21-Gegner, die schon beim Namen "Montagsdemo" beginnt. Und selbst ehemalige Führungsfiguren des Protests haben empfohlen, das montägliche Treffen als feste Form aufzugeben.

Man habe den Bahnhofsgegnern für die Demo "andere markante Orte angeboten", sagt nun ein Stadtsprecher. Die Demonstranten sind dennoch empört - viel größer seien doch die Verkehrsbehinderungen, die durch die S-21-Bauarbeiten entstünden. Sie wollen jetzt rechtlich vorgehen gegen die Stadt. Sie wollen, wie seit vier Jahren, weiterkämpfen.

© SZ vom 02.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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