Mohammed Mursi:Ägyptens undurchsichtiger Präsident

In seiner Heimat sieht sich Ägyptens Präsident Mursi heftigen Protesten ausgesetzt. Beim Besuch in Berlin wirbt er um die Unterstützung Deutschlands. Doch die Bundesregierung zögert. Denn viele fragen sich: Wofür steht Mursi?

Von Barbara Galaktionow

Mohammed Mursi

Mursi in Berlin

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(Foto: AFP)

In seiner Heimat sieht sich Ägyptens Präsident Mursi heftigen Protesten ausgesetzt. Beim Besuch in Berlin wirbt er um die Unterstützung Deutschlands. Doch die Bundesregierung reagiert abwartend. Denn obwohl seit einem halben Jahr im Amt, ist noch immer nicht ganz klar, wofür Mursi steht: Ist er ein gemäßigter Islamist oder ein Hardliner? Ein Ideologe oder ein Pragmatiker?

Mohammed Mursi

Proteste gegen Mursi

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(Foto: REUTERS)

Hat Mohammed Mursi die Ziele der ägyptischen Revolution verraten? Die Demonstranten, die am zweiten Jahrestag des Beginns der Revolte auf den Kairoer Tahrir-Platz ziehen, beantworten die Frage mit Ja: "Wenn er spricht, lügt er immer" steht auf den Plakaten unter dem Foto des ägyptischen Präsidenten. Obwohl Mursi das erste frei gewählte Staatsoberhaupt ist, sehen viele ihre Hoffnungen auf einen demokratischen Neuanfang in Ägypten enttäuscht. Es herrscht Misstrauen gegenüber Mursi.

Mohammed Mursi

Kontakt zu den Muslimbrüdern

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(Foto: AFP)

Die Rolle des strikten Islamisten scheint in der Laufbahn des 1951 im östlichen Nildelta geborenen Mursi nicht gerade vorherbestimmt gewesen zu sein. So studiert Mursi Ingenieurswissenschaften an der Universität Kairo und zieht dann frisch verheiratet in die USA: In Los Angeles absolviert er dem Munzinger-Archiv zufolge sein Studium der Raketenwissenschaften. Zwei seiner fünf Kinder werden in Amerika geboren. Doch wie die New York Times unter Berufung auf Mursis Ehefrau berichtete, kommt er ausgerechnet hier in Kontakt mit den Muslimbrüdern. In deren Reihen vollzieht sich nach seiner Rückkehr nach Ägypten Mitte der achtziger Jahre Mursis steiler politischer Aufstieg. Zugleich macht Mursi an der Universität Zagazig im Nildelta Karriere. Doch auch Gefängnisaufenthalte nimmt Mursi für seine Überzeugungen in Kauf. 2012 schicken ihn dann die Islamisten als Ersatzmann ins Rennen um die ägyptische Präsidentschaft, nachdem der ursprüngliche Kandidat von der Wahlkommission abgelehnt worden war.

Mohammed Mursi

Mursis Ehefrau polarisiert Ägypten

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(Foto: dapd)

Fromm, traditionsbewusst - und in unifarbener, bis zum Knie reichender Abaya, so zeigt sich Mursis Frau Nagla Mahmud. Die ägytische Gesellschaft ist gespalten über das bieder-islamistische Bild, das ihre neue First Lady abgibt - und das deutlich mit dem westlich orientierten früherer Präsidentengattinnen kontrastiert. Mursi nennt sie "die größte persönliche Errungenschaft seines Lebens", wie die New York Times in einem ausführlichen Porträt über Mursis Frau schrieb.

Mohammed Mursi

Machtkampf mit dem Militärrat

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(Foto: Reuters)

Am 29. Juni 2012, einen Tag vor dem offiziellen Amtsantritt, legt Mursi auf dem Tahrir-Platz einen symbolischen Amtseid ab. Damit wagt der neue Präsident - das erste Präsident ohne militärischen Hintergrund - von Anfang an die Konfrontation mit dem mächtigen Militärrat. Denn eigentlich wollte Mursi seinen Eid vor dem Parlament ablegen. Doch nach einem Verfassungsgerichtsurteil hatte der Militärrat das Parlament, in dem die Islamisten die meisten Sitze innehatten, kurz zuvor aufgelöst. Zudem beschnitt der Militärrat kurz vor Amtsantritt die Rechte des Präsidenten und machte sich selbst zum Oberbefehlshaber über die Streitkräfte. Mursi erklärt diese Verfassungszusätze später für unwirksam. Außerdem versetzt er den bisherigen Vorsitzenden des Militärrats in den Ruhestand - und beruft einen ihm genehmen Nachfolger.

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Beten für Muslimbruder Mursi

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(Foto: AFP)

"Islam is the solution" (Der Islam ist die Lösung), lautet der Wahlspruch der islamistischen Muslimbruderschaft. Und deren Anhänger beten im Präsidentschaftswahlkampf 2012 öffentlich für ihren Kandidaten Mursi (Foto). Zumindest nach außen hin versucht Mursi im Zuge seiner Kampagne, etwas Distanz zwischen sich und der Muslimbruderschaft zu schaffen: So nutzt er den oben genannten Slogan explizit nicht für seinen Wahlkampf und steigt nach der Wahl aus der Muslimbruderschaft und ihrem politischen Arm, der Partei für Freiheit und Gerechtigkeit, aus, deren Vorsitzender er war.

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Islamisch geprägte Verfassung

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(Foto: dpa)

Doch politische Maßnahmen Mursis nähren Befürchtungen, er wolle Ägypten zu einem islamistischen Staat umbauen. So setzt der Präsident Ende Dezember eine islamisch geprägte Verfassung in Kraft. Sie war zuvor in einem umstrittenen Referendum von den Wählern abgesegnet worden. 

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Auseinandersetzung mit der Justiz

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(Foto: Khaled Elfiqi/dpa)

Dem Referendum geht eine heftige Auseinandersetzung mit der Justiz voraus. Sie dreht sich zum einen um die Absetzung von Generalstaatsanwalt Abdel Meguid Mahmud (im Bild). Mursi macht ihn dafür verantwortlich, durch eine schlampige Anklagevertretung die Freisprüche mehrerer Handlanger des früheren Mubarak-Regimes verursacht zu haben. Zum anderen versucht Mursi im November, mit einigen Verfassungszusätzen seine Macht gegenüber der Justiz auszubauen, was ihm den Vorwurf einträgt, sich wie ein "neuer Pharao" zu gebärden. Nach massiven Protesten nimmt Mursi die Sondervollmachten später zurück.

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Antisemit Mursi

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(Foto: REUTERS)

In der Zeit vor seiner Präsidentschaft zeigte sich Mursi offen antisemitisch. Er war Gründungsmitglied eines Komitees zum Widerstand gegen den Zionismus und hat Juden und Zionisten übel beschimpft als "Blutsauger" und "Nachfahren von Affen und Schweinen". Kein Wunder also, dass die Beziehungen Ägyptens zu Israel seit Mursis Amtsantritt abgekühlt sind. Offiziell bekennt der Präsident sich jedoch zum Friedensvertrag seines Landes mit Israel von 1979. Außerdem vermittelte er im Gazakrieg im vergangenen Jahr erfolgreich zwischen Israelis und der Hamas im Gazastreifen. Es bleibt also im Moment in vielerlei Hinsicht unklar, wofür genau Mohammed Mursi steht - und wohin ihn und sein Land interne und äußere Konflikte führen werden.

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