Mobilfunk:EU-Parlament besiegelt Aus für Roaming-Gebühren

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Vom 15. Juni an entfallen Zusatzkosten für die Handynutzung im Ausland. Verbraucherschützer raten dennoch zur Vorsicht.

Von Thomas Kirchner und Stephan Radomsky, Brüssel/München

Vom 15. Juni an werden die Verbraucher im EU-Ausland ohne zusätzliche Kosten telefonieren, surfen und Kurznachrichten verschicken können. Das Europäische Parlament machte am Donnerstag in Straßburg den Weg für ein Ende der Roaming-Gebühren frei. Die Abgeordneten billigten eine Vereinbarung, die Obergrenzen festlegt für die Beträge, die Mobilfunkunternehmen einander für die Nutzung ihrer Infrastruktur in Rechnung stellen können. Formal muss nun noch der Ministerrat zustimmen, das Gremium der Mitgliedstaaten.

Die Obergrenzen betragen 3,2 Cent pro Minute für Anrufe und ein Cent für SMS. Für Datenvolumen sinken sie bis 2022 schrittweise von zunächst 7,70 Euro pro Gigabyte auf 2,50 Euro. Die Abschaffung der Roaming-Gebühren ist ein Prestige-Projekt der EU. Mit den Auslandsaufschlägen verdienten Telekomkonzerne jahrelang viel Geld bei vergleichsweise geringem Aufwand. Zum ersten Mal legte die EU 2007 eine Grenze fest, damals 49 Cent pro Minute; sie wurde seither mehrmals gesenkt.

Im vergangenen Jahr hatte der damalige EU-Digitalkommissar Günther Oettinger vorgeschlagen, die Roaming-Freiheit auf 90 Tage im Jahr zu beschränken. Er wollte damit verhindern, dass Kunden im Heimatland dauerhaft mit günstigeren ausländischen Tarifen telefonieren könnten. So würden sie die Regeln zu Lasten der Anbieter missbrauchen, die darauf mit höheren Preisen im Inland reagieren könnten. Nach starker Kritik ließ die Kommission die 90-Tage-Grenze fallen. Als Ausgleich können die Konzerne jetzt zumindest gegen groben Missbrauch vorgehen. Hält sich ein Kunde mehr als vier Monate im Ausland auf und telefoniert außergewöhnlich viel, darf ihm der Anbieter nach einer zweiwöchigen Warnfrist eine Erklärung abverlangen. Ist diese nicht stichhaltig, kann ein geringer Aufschlag fällig werden. Auch Datendienste dürfen nicht unbegrenzt im Ausland genutzt werden. Restlos fällt das Roaming also nicht weg, doch sind von diesen speziellen Regeln nach Angaben der Kommission weniger als ein Prozent der Verbraucher betroffen.

Es sei nicht so, dass sich Reisende im Ausland nun "überhaupt keine Gedanken mehr machen müssen", warnt Anneke Voss von der Verbraucherzentrale Hamburg. Wie die Anbieter sich auf die Neuregelung einstellten, sei nicht immer zum Vorteil der Kunden. Zwar umfassten einige Tarife schon jetzt Roaming-freies Surfen und Telefonieren im EU-Ausland. Doch schlössen andere Angebote die Handy-Nutzung außerhalb des deutschen Netzes komplett aus. Kunden sollten die Auslands-Konditionen vor Beginn der Reise genau prüfen.

Dass wegen der ausbleibenden Roaming-Gebühren die Preise steigen, halten Marktbeobachter für unwahrscheinlich. Im Kleingedruckten könne sich aber etwas tun, sagt Voss. Die Anbieter seien findig beim Formulieren kostenträchtiger Vertragsklauseln. Aufpassen müssten die Kunden beispielsweise bei Fahrten auf Fähren oder Kreuzfahrtschiffen. Hier könnten schnell sehr hohe Beträge zusammenkommen.

© SZ vom 07.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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