Mittelmeer:Krabben-Krieg

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Gamberi rossi - Tiefseegarnelen - sind in Italien sehr beliebt. Jetzt ist zwischen Libyen und Italien ein Streit um die Krabbenfischerei ausgebrochen - Fischhändler am Strand auf Vulcano, einer Insel vor Sizilien. (Foto: imago)

Fischer gegen Fußballer? Ein bizarrer Streit im Mittelmeer.

Von Oliver Meiler

Kriege gibt es, von denen die Welt kaum etwas mitbekommt. Zum Beispiel die "Guerra del Gambero rosso", der Krieg um die großen, feurig roten Tiefseegarnelen aus dem Mittelmeer - in der Fachsprache: Aristaeomorpha foliacea. Sie sind beliebt für ihr tolles Fleisch, an Knoblauch gebraten schmecken sie besonders köstlich. Der Kilopreis kann auch mal sechzig, siebzig Euro erreichen. Und so laufen an sizilianischen Häfen jeden Tag Dutzende Trawler aus, um den Schatz der Natur zu heben. Besonders aussichtsreich ist die Suche weiter südlich, auf halbem Weg zur libyschen Küste.

Am 1. September liefen in Mazara del Vallo auch die Medinea und die Antartide aus - und kamen bis heute nicht zurück. Die libysche Küstenwache stoppte die Schiffe und verhaftete 18 Fischer, acht Italiener, sechs Tunesier, zwei Philippiner, zwei Senegalesen. Sie kamen in Bengasi in Haft. Die Familien daheim erfahren seither nur wenig von ihren Vätern, Brüdern, Männern, Onkeln. In Italien laufen Solidaritätsaktionen. Vor dem Parlament halten Verwandte eine Mahnwache ab.

Gebracht hat das bisher nichts. Die Sache mit den Schrimps ist nämlich zu einer "internationalen Intrige" verkommen, wie es der Corriere della Sera nennt. Zu einer brisanten und auch etwas grotesken Intrige. Alle schweigen.

Khalifa Haftar, der libysche General und Machthaber im östlichen Teil der konfliktzerrissenen ehemaligen Kolonie, wirft den Fischern vor, sie seien auf ihrer Expedition in nationales Hoheitsgebiet vorgedrungen. Vor 15 Jahren, muss man dazu wissen, hatten die Libyer die exklusive Fischereizone unilateral ausgeweitet: von den üblichen zwölf Seemeilen ab Küste auf 74. Einfach so, rechtlich völlig unhaltbar. 2005 herrschte aber nun mal Muammar al-Gaddafi, und der scherte sich nie um Recht und Gepflogenheiten. Seitdem kommt es immer wieder zu Streit und Scharmützeln, manchmal fallen auch Schüsse. Schon früher haben die Libyer sizilianische Trawler beschlagnahmt, doch nach ein paar Tagen war der Spuk normalerweise wieder vorbei.

Diesmal nicht. Haftar will die Fischer erst gehen lassen, wenn die Italiener ihrerseits vier junge Männer aus Libyen freilassen, von denen es heißt, sie seien Fußballer - angeblich sehr talentierte. 2015 waren sie an Bord eines Flüchtlingsboots aus ihrer Heimat geflohen. Ihre Angehörigen erzählten, sie hätten von Deutschland geträumt, von einer Karriere in der Bundesliga. Doch die Staatsanwaltschaft von Catania deutete ihre Reise ganz anders. Für die Anklage waren sie Schlepper und verantwortlich für den Tod von 49 Migranten, die im zugesperrten Kielraum des Boots mitgereist waren und an den Abgasen erstickten. Die vier Männer wurden zu Haftstrafen zwischen 20 und 30 Jahren verurteilt. Nun liegt die Akte beim Kassationshof, Italiens höchstem Gericht.

Fischer gegen Fußballer, ein Tauschhandel? Bei der Inhaftierung der Krabbenfischer gab es als Garnitur Bilder von zehn gelben Tüten. Es hieß, die Säcke seien voll mit Drogen, man habe sie an Bord der Medinea und der Antartide gefunden. Tatsächlich? Wie in jedem Krieg spielt Propaganda eine Rolle, in der "Guerra del Gambero" spielt sie zuweilen die Hauptrolle.

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