Mindestlohn:Besserwisser Scholz

Für die Höhe der Löhne sind Arbeitgeber und Gewerkschaften zuständig, nicht der Finanzminister.

Von Henrike Rossbach

An zwei Dinge muss man in diesen Tagen dringend mal wieder erinnern. Das erste ist, dass Olaf Scholz Bundesfinanzminister ist. Da kann man ja leicht durcheinanderkommen, denn offenbar fühlt sich der SPD-Politiker derzeit vor allem zuständig für Rente, EU-Arbeitslosenversicherung und Mindestlohn. Das zweite ist, dass vor 100 Jahren der Industrielle Hugo Stinnes und der Gewerkschafter Carl Legien ein Abkommen unterzeichneten, das den Grundstein legte für Tarifautonomie und Sozialpartnerschaft.

Womit man wieder bei Scholz wäre. Der nämlich ist der Meinung, die richtige Höhe für den Mindestlohn besser zu kennen als die zuständige Kommission - und damit besser als Arbeitgeber und Gewerkschaften, die in ebendieser sitzen. Streng genommen, ist schon der Mindestlohn eine Abkehr von der Tarifautonomie, dass also die Sozialpartner die Löhne aushandeln, nicht der Staat. Angesichts der sinkenden Tarifbindung war eine Lohnuntergrenze jedoch unumgänglich. Immerhin aber wurde sie in die Hände der Sozialpartner gelegt - nicht in die der Wahlkämpfer.

Wenn Scholz nun freihändig zwölf Euro statt der just beschlossenen 9,19 Euro ab 2019 und 9,35 Euro ab 2020 fordert, klingt das zwar sozial. Er bringt aber ein Fundament ins Wanken, das die SPD einst mitgegossen hat. Als sie noch mehr war als nur verzweifelt.

© SZ vom 02.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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