Militäreinsatz:Vom Verbündeten getroffen

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Moskau macht Israel für den Abschuss eines Flugzeugs verantwortlich, dann relativiert Putin den Vorwurf.

Von Paul-Anton Krüger

Es war kurz vor Mitternacht, als in der Nacht zum Dienstag vier schwere Detonationen den schwarzen Himmel über der syrischen Hafenstadt Latakia gelb und orange zum Leuchten brachten. Das zeigen Videos aus der Küstenregion am Mittelmeer. Wenig später verschwand eine russische Militärmaschine vom Typ Iljuschin-20 vom Radar der russischen Luftabwehr auf dem Luftwaffenstützpunkt Khmeimim. Die anfängliche Verwirrung über den Verlauf der Ereignisse wich Dienstagmorgen seltener Klarheit - allerdings nicht, was die politischen Konsequenzen angeht.

Israelische Kampfjets, nach russischen Angaben vier Maschinen des Typs F-16, hatten Ziele der syrischen Armee bei Latakia angegriffen. Syriens Luftabwehr feuerte Raketen, auch russische Systeme sollen im Einsatz gewesen sein. Die israelischen Jets kehrten unbeschädigt heim, aber eine Rakete einer syrischen S-200-Batterie traf vor der Küste die russische Propellermaschine, die zur elektronischen Aufklärung und Kriegsführung dient. Alle 15 Besatzungsmitglieder starben.

Das russische Verteidigungsministerium machte dennoch zunächst Israel verantwortlich. Die Piloten hätte die "absichtliche Provokation" ausgeführt, obwohl sie die im Landeanflug befindliche Maschine in fünf Kilometer Höhe nicht hätten übersehen können, sagte General Igor Konaschenkow. Sie hätten sich im Radarecho des Flugzeugs verborgen. Außerdem habe die französische Fregatte Auvergne Marschflugkörper abgefeuert. Konaschenkow warf Israel vor, Russland erst eine Minute vor dem Angriff gewarnt zu haben. Deshalb habe sich das Flugzeug nicht rechtzeitig in Sicherheit bringen können. Man betrachte dieses Vorgehen als "feindlichen Akt" und behalte sich eine angemessen Reaktion vor. Später relativierte der russische Präsident Wladimir Putin die Vorwürfe und sprach von einer "Verkettung tragischer Umstände". Am Vormittag bestätigten die israelischen Streitkräfte den Angriff bei Latakia; die Jets hätten "eine Einrichtung der syrischen Armee attackiert, von der Systeme zur Produktion präziser und tödlicher Waffen im Auftrag Irans an die Hisbollah weitergegeben werden sollten". In einem Telefongespräch sprach der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu dem russischen Präsidenten Wladimir Putin sein Beileid zum Tod der russischen Soldaten aus. Doch dafür verantwortlich sei allein das Regime von Präsident Baschar al-Assad. Netanjahu bot an, den Chef der israelischen Luftwaffe nach Moskau zu entsenden, um dort Details des Zwischenfalls zu besprechen.

Israel habe die Kommunikationskanäle zum russischen Militär genutzt; als die russische Maschine getroffen wurde, hätten sich die Jets schon wieder in israelischem Luftraum befunden. Tatsächlich sind die Anschuldigungen aus Moskau schon aus technischen Gründen wenig glaubwürdig: Auf dem Radar der modernen S-400-Luftabwehrsysteme, die mit den syrischen Systemen vernetzt sind, müssten die israelischen Jets auch im Tiefflug lange sichtbar gewesen sein, sie würden auch nicht verdeckt durch den russischen Flieger, der zudem mit einem Freund-Feind-Erkennungssystem ausgestattet war.

Die israelische Erklärung zeigt, dass man politisch die Wogen glätten will. Bislang hat Israel weitgehend mit russischer Duldung Iran zugerechnete Ziele in Syrien bombardiert, mehr als 200 Angriffe in den vergangenen eineinhalb Jahren, wie eine Militärsprecherin bestätigte. Erst am Samstag waren Bomben auf dem Flughafen von Damaskus eingeschlagen und beschädigten offenbar ein dort geparktes iranisches Transportflugzeug.

Sollte Russland dieses unausgesprochene Arrangement zwischen Putin und dem israelischen Premier Benjamin Netanjahu nun für beendet betrachten, würde es für Israel risikoreicher, gegen Irans Kräfte in Syrien vorzugehen. Luftangriffe bei Latakia, in Nähe russischer Truppen, sind auch ohne den Abschuss schon eine Eskalation - eine Beteiligung Frankreichs daran wäre eine neue internationale Dimension. Paris allerdings streitet "jede Verwicklung" ab.

Israel und die USA verlangen von Russland, Irans Präsenz in Syrien zu beenden. Allerdings haben Teheran und Damaskus gerade ein Abkommen zur Militärkooperation geschlossen. Iran soll helfen, die syrische Armee wieder aufzubauen. In diesem Licht sind die offiziell etwa 2500 US-Soldaten im Norden und Osten Syriens aus Sicht des Pentagon ein Bollwerk gegen einen schiitischen Bogen von Iran über Irak und Syrien bis nach Libanon. Ihr Auftrag ist, die von kurdischen YPG-Milizen dominierten Syrischen Demokratischen Kräfte zu unterstützen, die gerade eine Offensive gegen die letzten Gebiete der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) am Euphrat begonnen haben. Das Regime sowie Russland und Iran verlangen den Abzug der US-Soldaten, doch die werden nach dem Willen von US-Verteidigungsminister James Mattis und Außenminister Mike Pompeo nicht gehen, auch wenn der IS in Syrien als militärisch besiegt gilt.

© SZ vom 19.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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