Migration:Seehofers Ordnung

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Der Innenminister verteidigt sein Geordnete-Rückkehr-Gesetz, die Opposition im Bundestag vergleicht ihn in einer scharfen Debatte hingegen mit Ungarns Premier Viktor Orbán.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Seehofer im Bundestag. Sein Gesetz führt den Status einer „Duldung für Personen mit ungeklärter Identität“ ein. (Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Entrechtung, "Orbánisierung", Zerstückelung von Grundrechten - drei Migrationsgesetze standen am Donnerstag im Bundestag auf der Tagesordnung. Und die Opposition ließ keinen Zweifel, dass sie die Pläne von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) für unerträglich hält.

Im Mittelpunkt der Debatte stand am Mittag das sogenannte Geordnete-Rückkehr-Gesetz. Es soll bewirken, dass abgelehnte und vollziehbar ausreisepflichtige Asylbewerber das Land verlassen. In mehr als der Hälfte der Fälle ist das nicht der Fall, weil Migranten vor Gericht ziehen, Pässe fehlen, Herkunftsländer ihre Bürger nicht zurücknehmen oder eine Person am Tag der Abschiebung nicht aufzufinden ist. Seehofer will das ändern.

"Wir verbessern die Voraussetzungen erheblich, damit die Ausreisepflicht auch durchgesetzt werden kann", sagte er am Donnerstag im Bundestag. Das "Phänomen des Abtauchens zum Zeitpunkt der Abschiebung" sei ein Haupthindernis bei Rückführungen. Seehofers Gesetz zielt auf Migranten, die nach Ansicht der Behörden Verantwortung dafür tragen, dass sie nicht abgeschoben werden können.

Wer einmal einen Termin bei der Ausländerbehörde verpasst, muss schon mit Sicherungshaft rechnen

Wer bei der Identität täuscht, nicht zur Beschaffung seines Passes beiträgt oder gegenüber der Botschaft seines Landes keiner freiwilligen Rückkehr zustimmt, soll nur noch eine "Duldung für Personen mit ungeklärter Identität" bekommen - mit erheblichen Folgen. "Die Sanktionen lauten: Erwerbstätigkeitsverbot, Wohnsitzauflage, Verhinderung der Aufenthaltsverfestigung und auch die Möglichkeit der Verhängung von Bußgeldern", sagte Seehofer.

Wo "Fluchtgefahr" besteht, können Ausreisepflichtige zudem in "Sicherungshaft" genommen werden. Der Begriff Fluchtgefahr allerdings wird nun erweitert. Als Indiz dafür soll nicht nur das "Täuschen" bei der Identität gelten. Auch wer einmal unentschuldigt einen Termin bei der Ausländerbehörde verpasst oder verschweigt, dass er über eigenes Geld verfügt, oder keine feste Adresse vorweisen kann, muss unter Umständen mit "Sicherungshaft" rechnen. Richterliche Befugnisse sollen eingeschränkt werden. Zudem sollen Gefährder und Straftäter schneller abgeschoben werden können. Statt einer Freiheitsstrafe von einem Jahr soll eine Verurteilung zu sechs Monaten Haft genügen, um ausgewiesen werden zu können.

Seehofers Plan, Flüchtlingshelfern, die Abschiebungen verhindern, mit Haftstrafen zu drohen, wurde auf Druck der SPD aufgegeben. Im öffentlichen Dienst allerdings droht in solchen Fällen strafrechtliche Verfolgung. Für Ärger sorgte auch die gemeinsame Unterbringung von Abschiebehäftlingen und Straftätern in gewöhnlichen Strafanstalten. Das EU-Recht verbietet sie, die Justizminister der Länder protestierten. Nur Kritik sei hier "zu wenig", sagte FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg am Donnerstag. Die Länder müssten mehr Abschiebehaftplätze bauen.

Die Rechte von Geflüchteten seien "bis zur Unkenntlichkeit zerstückelt", kritisiert die Linke

Von Linken und Grünen kamen scharfe Töne. "Das Geordnete-Rückkehr-Gesetz hat die verbliebenen Rechte von Geflüchteten bis zur Unkenntlichkeit zerstückelt", sagte die Linken-Politikerin Ulla Jelpke im Bundestag. Die Einschränkung richterlicher Befugnisse gehe "gar nicht". Die migrationspolitische Sprecherin der Grünen, Filiz Polat, sprach von einem "Katalog der Entrechtung". Seehofers Entwurf sei ein "Schritt zur Orbánisierung" Deutschlands. Der innenpolitische Sprecher der Union im Bundestag, Mathias Middelberg (CDU), wies diese Vorwürfe als "unsäglich" zurück. Die AfD monierte, Seehofer sei "weichgeklopft" worden. Es handle sich um ein "Abschiebevermeidungsgesetz".

Ebenfalls beraten wurde das Staatsbürgerschaftsgesetz. Wer zwei Staatsbürgerschaften hat und für eine ausländische Terrormiliz gekämpft hat, soll seinen deutschen Pass verlieren. Diskutiert wurde auch das "Ausländerbeschäftigungsförderungsgesetz" von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Danach sollen Geduldete sechs Monate nach ihrer Einreise Zugang zu berufsbezogenen Sprachkursen bekommen. Auch wer noch im Asylverfahren steckt, soll Integrationskurse besuchen können. Aus der CSU kam Kritik. So würden Asylentscheidungen entwertet.

© SZ vom 17.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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