Migration:Einer hin, einer her

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Bootsflüchtlinge auf Sizilien: Deutschland soll künftig regelmäßig Asylsuchende aufnehmen, die Italien mit dem Schiff erreicht haben. (Foto: Antonio Parrinello/Reuters)

Innenminister Seehofer präsentiert eine Asylvereinbarung zwischen Berlin und Rom. Deutschland darf Flüchtlinge abweisen, muss im Gegenzug aber genauso viele aus Italien aufnehmen.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Es war eine Regierungskrise erster Güte und ein Zerwürfnis zwischen Minister und Kanzlerin. Im Konflikt um die Zurückweisungen von Flüchtlingen an der deutsch-österreichischen Grenze ist Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) nun einen weiteren Schritt vorangekommen, einen kleinen. Nach Abkommen mit Spanien und Griechenland habe Italien einer Rahmenvereinbarung zugestimmt, sagte er am Donnerstag im Bundestag. "Es fehlen jetzt nur noch die zwei Unterschriften von dem italienischen Kollegen und von mir." Um Reisekosten zu sparen, würden die Papiere ausgetauscht. Daher könne es "noch ein paar Tage" dauern. Das sei ein "Erfolg", betont der Minister.

Das Dokument, auf dessen Unterzeichnung Seehofer seit Wochen wartet und das der Süddeutschen Zeitung vorliegt, ist eine erste Rahmenvereinbarung und noch kein verbindlicher Vertrag. "Beide Seiten werden zusammenarbeiten, um die Außengrenzen zu schützen, die illegale Migration einzudämmen, die Migrantenströme auf dem Meer und die Sekundärmigration zu steuern", heißt es darin.

Vorgesehen ist, dass Italien Flüchtlinge zurücknimmt, die über Österreich nach Deutschland einreisen wollen, in Italien aber schon per Fingerabdruck registriert sind und einen Asylantrag gestellt haben. Im Gegenzug will Deutschland ebenso viele Asylsuchende übernehmen, die auf Rettungsschiffen in Italien anlanden. Ein Nullsummenspiel wurde da vereinbart - und ein Geschäft, in dem zentrale Punkte noch ausgehandelt werden müssen. Im Bundesinnenministerium zeigte man sich dennoch zufrieden. Die Unterzeichnung sei "ein weiteres wichtiges Signal zu geordneten Verhältnissen im Bereich der europäischen Migrationspolitik", hieß es. Seehofer gehe es um "die Durchsetzung des geltenden Rechts" und "die Verhinderung illegaler Sekundärmigration im Schengenraum".

Im Juni hatte das Thema noch eine schwere Regierungskrise ausgelöst, weil Seehofer unabgesprochen Flüchtlinge abweisen wollte, die anderswo in der EU Asyl beantragt haben. Nach dem Riesenkrach zwischen CDU und CSU wies die Kanzlerin Seehofer an, Zurückweisungen mit den betroffenen Ländern selbst auszuhandeln. In Madrid kam Seehofer flott voran, kein Wunder. Aus Spanien ist bisher kein einziger einschlägiger Asylbewerber an den bayerischen Kontrollposten aufgetaucht. Nach Griechenland wurden zwei Personen zurückgeschickt. Aus Italien kamen seit Juni 113 Asylbewerber, die dort bereits Asyl beantragt hatten. Im Durchschnitt betrifft die Regelung nur anderthalb Flüchtlinge pro Tag.

In Italien kamen Seehofers Beamte nur mühsam voran. Rom akzeptiert keinen einzigen zusätzlichen Flüchtling. Zudem dürfte Innenminister Matteo Salvini (Lega) nicht entgangen sein, wie sehr der deutsche Kollege daheim unter Druck stand. Der Deutsche brauchte das Abkommen mit Italien, bald. Die Italiener aber ließen ihn lange zappeln, und das, was laut Seehofer nun unterschriftsreif auf dem Tisch liegt, ist eher eine Absichtserklärung. In sieben Punkten wird da umschrieben, dass Deutschland und Italien die Binnenmigration in der EU eindämmen wollen, also das Weiterwandern von Asylbewerbern. Schon in Punkt drei aber wird klar, dass "eine weitere formaljuristische Vereinbarung" geplant ist. "In Kürze" würden auch "rechtliche Aspekte des Transfers" geklärt, Fragen der Sicherheit sowie die Bedürfnisse "vulnerabler Gruppen".

Hinter den wolkigen Formulierungen stecken zähe Konflikte. Italien dringe darauf, den Transit der Asylbewerber nicht per Flugzeug, sondern auf dem Landweg durchzuführen, heißt es im Innenministerium. Das aber verkompliziere die Sache. Schon jetzt sind Zurückweisungen eine gewagte Konstruktion. Stellt ein entsprechender Flüchtling an der Grenze ein Schutzgesuch, wird die "Fiktion der Nichteinreise" angenommen. Die Dublin-Regeln gelten nicht, sonst müssten deutsche Behörden den Asylantrag prüfen.

Rom will, dass die Flüchtlinge mit dem Auto transportiert werden. Aber was sagt Österreich dazu?

Derzeit wird der Geflüchtete dann nach München gefahren und in sein EU-Ankunftsland ausgeflogen. Italien aber will dem Vernehmen nach keine Zurückweisungen per Flugzeug, sondern per Auto, meist über den Brenner. Dort könnten wie an der französischen Grenze eingeübte italienische Teams die Menschen übernehmen.

Im Bundesinnenministerium bereitet dies Kopfzerbrechen. "Der Rücktransport soll sowohl über den Luftweg als auch über den Landweg über Österreich erfolgen", heißt es hier. Mit anderen Worten: Seehofer will bei der bisherigen Praxis bleiben. Denn wenn ein Geflüchteter über Hunderte Kilometer auf der Autobahn transportiert werden muss, durch österreichisches Staatsgebiet, wäre das ohne Zustimmung aus Wien undenkbar.

Was, wenn der Flüchtling unterwegs Asyl beantragt? Dann wäre Österreich für ihn zuständig. Die österreichische Regierung aber lehnt das ab. Der Rücktransport über Land würde ein trilaterales Abkommen nötig machen, mit Österreich. Und es gibt weitere Stolpersteine. Seehofer hält es für problematisch, dass die italienische Regierung Flüchtlinge gern direkt über Europa verteilen würde, ohne weitere Prüfung. Hier müssten Sicherheitskontrollen her, so der Minister. Nein, räumt ein Beamter des Bundesinnenministeriums ein, am Ziel sei man noch nicht. Aber die Vereinbarung trage "zur Ordnung der Migrationspolitik" bei.

© SZ vom 14.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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