Gegen „Boot-ist-voll-Rhetorik“:Flüchtlingsrat: Sachsen hat Platz zur Aufnahme

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Dresden (dpa/sn) - In Sachsen gibt es nach Ansicht des Flüchtlingsrates ausreichend Platz zur Aufnahme von Menschen in Not. Ressentiments in der Bevölkerung und Teilen der Lokalpolitik würden diesen Raum jedoch künstlich verengen, sagte Vereinssprecher Dave Schmidtke am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur in Dresden. Die Erstaufnahmeeinrichtungen seien aktuell zur Hälfte ausgelastet, die meisten Menschen aus der Ukraine privat untergebracht. „Absolut verwerflich ist es daher, die „Boot-ist-voll-Rhetorik“ der Rechtsextremen weiterzutragen. Damit werde grundlos Panik geschürt, Demonstrationen gegen Flüchtlinge erhielten so Zulauf.

Schmidtke bezog sich dabei auf Proteste gegen die Aufnahme von Flüchtlingen etwa in Kriebethal (Landkreis Mittelsachsen) und Laußig im Landkreis Nordsachsen. In Kriebethal sollen gerade einmal zwölf junge Flüchtlinge untergebracht werden, was bei gut einem Drittel der Bevölkerung auf Ablehnung stößt. „Der erneute Erfolg rassistischer Proteste entsteht auch, weil in den letzten Jahren in Sachsen häufig vor dem Druck von Rechtsaußen gekuscht wurde. Anstatt demokratischen Kräften den Rücken zu stärken oder über positive Effekte von Migration zu sprechen, wurde Verständnis für besorgte Bürger geäußert, die sich in ihrem Weltbild bestätigt sahen.“

Schmidtke verwies auf Zahlen, wonach mehr als eine Million Geflüchtete, die 2015 nach Deutschland kamen, eine Arbeit haben. Proteste Rechtsextremer würden sich nur auf einzelne Fälle beziehen, in denen Migranten Straftaten begehen, und die Realität verzerren. Die Agitation der rechtsextremen Freien Sachsen und der AfD fruchte besonders gut in Krisenzeiten. „Wirtschaftliche Probleme nach der Pandemie und steigende Inflation bilden einen gefährlichen Nährboden für Rechtsextremismus. Der Verfassungsschutz warnt bereits vor weiteren Angriffen auf Unterkünfte oder Flüchtende.“

„Über die Gründe, warum jetzt wieder mehr Menschen fliehen, wird kaum gesprochen. Aus Unwissenheit resultiert schnell Unverständnis“, sagte Schmidtke. Viele Menschen, die in den vergangenen Monaten nach Sachsen geflohen seien, kämen aus Afghanistan oder Syrien. Sie hätten sehr große Chancen, im Asylverfahren anerkannt zu werden. „Krisen- und Kriegsgebiete in solchen zerfallenden Staaten treiben Menschen in die Flucht.“ Wenn bei den Protesten die Mär verbreitet werde, es gebe keine Fluchtgründe mehr, verweigere man de facto eine Auseinandersetzung über tatsächliche Fluchtursachen.

Sachsens Sozialministerin Petra Köpping (SPD) hatte sich am Dienstag besorgt über Demonstrationen gegen die Aufnahme von Flüchtlingen in Sachsen geäußert. Sie zog Parallelen zu Anfeindungen im Jahr 2015. Damals galt Sachsen als Hochburg der Proteste gegen Migranten.

© dpa-infocom, dpa:230125-99-352089/3

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