Migration:Das große Ticken

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Die EU kommt in der langen Debatte um schiffbrüchige Flüchtlinge nur schleppend voran - und bei der großen Reform des Asylrechts sogar überhaupt nicht. Das Thema ist jetzt vertagt auf das nächste Treffen der Innenminister im März.

Von Karoline Meta Beisel, Bukarest

Aus den Worten von EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos klang eine gewisse Dringlichkeit: "Uns läuft die Zeit davon, die Uhr tickt", sagte er am Donnerstagmorgen bei seiner Ankunft im Parlamentspalast von Bukarest, in dem sich an diesem Tag die Innenminister der EU-Mitgliedstaaten trafen. Gemeint war die Debatte um eine gemeinsame Asylpolitik für die Europäische Union, die seit Jahren festgefahren ist. Das mit der Uhr sagte Avramopoulos mit Blick auf die Europawahl Ende Mai: "Die Wahlen sollten uns nicht lähmen, ganz im Gegenteil: Wie müssen zusammenarbeiten, um vorwärts zu kommen", sagte er. Auch die Minister hören die Uhr ticken, sie wissen ja, wann gewählt wird. Allein: Dieses Ticken scheint für sie eher so zu sein wie das der Uhr in ihrer Küche. Sie tickt und tickt, ohne jemals jemanden zur Eile zu mahnen. Und so gingen die Minister genau so auseinander, wie die meisten erwartet hatten: ohne in der Sache ernstlich weitergekommen zu sein. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) war gar nicht erst angereist zu dem Treffen, er ließ sich von seinem Staatssekretär vertreten: Seehofer sei "kurzfristig erkältet". Stephan Mayer (CSU) warb in Bukarest dafür, zumindest für die Menschen, die von Schiffen aus dem Mittelmeer gefischt werden, schnell eine Lösung zu finden. "Aus unserer Sicht ist es das Gebot der Humanität, dass wir nicht von Fall zu Fall neu diskutieren, welches Land in welcher Größenordnung bereit ist, unter welchen Umständen schiffbrüchige Personen aufzunehmen", sagte er. Die Diskussion sei "unwürdig". Zuletzt war es erneut die Sea-Watch 3, die mit 47 Geretteten an Bord auf eine Anlegeerlaubnis warten musste. Jüngsten Zahlen des UN-Flüchtlingshilfswerks zufolge sterben jeden Tag sechs Menschen bei dem Versuch, das Mittelmeer zu überqueren.

Neun Länder seien insgesamt bereit, Gerettete aufzunehmen - das reicht noch nicht

Mayer zufolge gibt es im Moment neun Länder einschließlich Deutschland, die Bereitschaft signalisiert hätten, grundsätzlich solche Gerettete aufzunehmen. Das sei zwar "schon mal ein schöner Erfolg", aber zugleich "noch zu wenig".

Gemeinsam mit der französischen Regierung wollte er um weitere Länder werben.

Auf die Frage, ob die Zahl im Laufe des Donnerstags größer geworden wäre, gab Avramopoulos nach der Veranstaltung aber ausweichende Antworten - wie einer, der "nein" meint, aber nicht "nein" sagen will. Eine Lösung für die Geretteten im Mittelmeer wäre ein erster Schritt, um in der Asyldebatte weiterzukommen. Aber er gelingt nicht, offenbar weil die Mitgliedstaaten sich sorgen, damit auch ihre Richtung beim zweiten Schritt, der großen Asylreform vorwegzunehmen. Die besteht aus sieben Gesetzen, von denen fünf entscheidungsreif sind. Gerade beim Herzstück der Reform aber bewegt sich nichts: der Dublin-Verordnung, die die Verteilung der Asylsuchenden in der EU regelt. Die EU-Kommission hatte darum zuletzt vorgeschlagen, wenigstens die fertigen Gesetze zu verabschieden. Das aber stößt vor allem im Parlament auf Widerstand, das als Co-Gesetzgeber die Reform mitverantwortet: Dort fürchtet man, dass die Dublin-Frage dann erst recht auf die lange Bank geschoben werden könnte. Die Situation sei frustrierend, sagte in Bukarest der niederländische Justizstaatssekretär Markus Harbers: "Wir müssen bereit sein für die nächste Migrationskrise, wenn sie kommt." Im März steht das nächste Innenministertreffen an, nach dem Besuch in Rumänien, das gerade die Ratspräsidentschaft innehat, wieder in Brüssel. Auch dort hat man die Asylreform auf die Tagesordnung gesetzt. Sollten die Länder auch bei dieser Gelegenheit nicht weiterkommen, wird das Thema wohl tatsächlich, wie Avramopoulos fürchtet, auf die Zeit nach der Wahl verschoben. Inzwischen glauben manche, dass genau darin aber auch eine Chance liegen könnte: "Vielleicht finden wir neue Lösungen mit einem neuen Parlament und einer neuen Kommission", sagt der Niederländer Harbers.

© SZ vom 08.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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