Migranten:Ungehört

Wann nimmt die Politik die Ängste von Zuwanderern ernst?

Von Ferdos Forudastan

Es ist ein grobes Missverhältnis: Wenn deutschstämmige Bürger fürchten, dass dieses Land sich mit der Aufnahme von Geflüchteten überfordert, sind etliche Politiker rasch zur Stelle. Sie hören zu, erklären, äußern öffentlich Verständnis. Wenn Menschen mit ausländischen Wurzeln fürchten, dass der Rechtsruck hierzulande ihr Leben erschwert, wenn sie Angst davor haben, dass Diskriminierung und Angriffe zunehmen, dann landet das vergleichsweise selten auf der Agenda vieler Träger von Amt und Mandat.

Wie fühlen sich Männer mit dunkler Hautfarbe oder Frauen mit Kopftuch dort, wo mindestens ein Viertel der Wähler für die AfD gestimmt haben? Wie geht es Einwanderern oder ihren Nachkommen, wenn zahlreiche Nachbarn oder Kollegen das Kreuz bei einer Partei gemacht haben, in der sich Rassisten tummeln? Auch zwei Wochen nach den Wahlen in Brandenburg und Sachsen sind das keine Fragen, die es nennenswert in den politischen Diskurs geschafft haben - weder im Osten noch darüber hinaus.

Das Abschneiden der AfD bei Wahlen und in Umfragen treibt viele Migranten und Menschen, die dafür gehalten werden, ebenso sehr um wie etwa der Hass gegen sie im Netz. Schnelle Abhilfe gibt es leider nicht. Aber es wäre für die Betroffenen ein wichtiges Signal, wenn demokratische Politiker sich dieses Themas wesentlich öfter und ernsthafter als bisher annähmen. Anders ausgedrückt: Wenn sie besorgte Bürger nicht nur unter denen verorteten, die seit Generationen deutsch sind.

© SZ vom 14.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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