Michigan und Wisconsin:Die blaue Mauer steht wieder

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Ein Mitarbeiter der Wahlbehörde in Detroit freut sich über die fertige Auszählung in seinem Bezirk. (Foto: Elaine Cromie/AFP)

Herausforderer Joe Biden wird der Sieg in zwei Staaten zugesprochen, die zum demokratischen Kernland gehören, 2016 aber an Trump fielen.

Von Thorsten Denkler, New York

Als Wisconsin und Michigan in der Wahlnacht 2016 an Donald Trump fielen, war das ein Schock für die Demokraten. Bis dahin waren sie sicher davon ausgegangen, dass Hillary Clinton die Wahl gewinnen würde. Kaum einer hatte die beiden Rostgürtelstaaten im Norden der USA als irgendwie gefährdet auf dem Zettel. Sie galten als demokratische Bastionen. In Wisconsin hatte seit 1984 kein republikanischer Präsidentschaftskandidat mehr gewinnen können. Trump hat den Bundesstaat dann mit 23 000 Stimmen Vorsprung gewonnen - und Michigan mit 11 000 Stimmen. Der blaue Schutzwall, der das Land vor Trump schützen sollte, er hatte in dem Moment riesige Löcher bekommen.

Diese Löcher scheint der demokratische Kandidat Joe Biden gestopft zu haben. Am Mittwoch bereits wurden ihm erst Wisconsin und dann Michigan zugesprochen, wenn auch mit knappem Ergebnis. Nach Auszählung von 99 Prozent der Stimmen kommt Biden in Wisconsin auf einen Vorsprung von etwa 20 000 Stimmen oder 0,6 Prozentpunkten. In Michigan sind es 150 000 Stimmen oder 2,8 Prozentpunkte. Zusammen bringen es beide Bundesstaaten auf 26 Wahlleute im Electoral College, das letztlich den Präsidenten wählt. Das hat Biden an den Rand des Wahlsieges gebracht.

Biden fehlte am Donnerstag nur noch ein Bundesstaat, um auf die erforderliche Mehrheit von 270 Wahlleuten im Electoral College zu kommen. Die Demokraten wussten: Wenn sie Pennsylvania zurückerobern könnten, wäre die blaue Wand wieder vollständig. Und gerade hoch genug, um die republikanische Welle nicht überschwappen zu lassen, die Trump in den vergangenen Wochen erzeugen konnte.

Die Wahl 2016 hat Hillary Clinton verloren, weil sie die Demokraten nicht für sich begeistern konnte. Im Rostgürtel hatte sie wenig bis gar keinen Wahlkampf gemacht. Trump wiederum hatte am Ende nicht nur drei Millionen Stimmen weniger geholt als Clinton. Sondern auch weniger als Mitt Romney, der vier Jahre zuvor gegen Barack Obama unterlegen war. Diesmal konnte Trump deutlich mehr Menschen mobilisieren. In Michigan hat er fast 500 000 Stimmen mehr gesammelt als 2016. In Wisconsin sogar 1,2 Millionen.

Die Strategie der Demokraten ist dennoch weitgehend aufgegangen. Statt eines Pro-Biden-Wahlkampfes haben sie einen Anti-Trump-Wahlkampf geführt. Viel musste Biden dafür gar nicht tun. Er hat den Wahlkampf in weiten Teilen von seinem Heimatort Wilmington im Bundesstaat Delaware aus beobachtet. Trump hingegen war in den vergangenen Wochen durchgehend auf Tour, zum Teil mit mehreren Auftritten pro Tag. Am Montag noch hatte er diverse Auftritte in Wisconsin und Michigan. Der Wahlkampf hat zwar polarisiert. Aber dafür die Wahlbeteiligung auf beiden Seiten in die Höhe geschraubt. Für Trump hat es in Wisconsin und Michigan nur deshalb nicht gereicht, weil der Wunsch, ihn loszuwerden, offenbar größer war als der Wunsch, Trump weitere vier Jahre im Weißen Haus zu lassen.

Die Rechnung ist für die Demokraten in Wisconsin vor allem in ihren Hochburgen Milwaukee und Dane County mit der Landeshauptstadt Madison aufgegangen. Im Dane County holten sie 260 000 Stimmen, 42 000 mehr als 2016. Trump gewann nur 9000 Stimmen hinzu. In Milwaukee ein ähnliches Bild: Biden gewinnt 317 000 Stimmen, gut 28 000 mehr als 2016. Trump kann nur um etwa 800 Stimmen zulegen. Seine Zugewinne in Wisconsin sind dennoch eine Überraschung. Wisconsin ist ein Agrarland. Es hat wie kaum ein anderer Bundesstaat unter Trumps Handelskriegen gelitten. Ausgleichszahlungen der Trump-Regierung gingen vor allem in sichere republikanische Bundesstaaten.

Die Wahl in Michigan dürfte für Trump gelaufen sein. In Wisconsin aber will er mindestens eine Neuauszählung der Stimmen erreichen. Das kann allerdings dauern. Die Neuauszählung ist erst möglich, wenn der Leiter der Wahlkommission das Ergebnis zertifiziert hat. Das dürfte erst Anfang Dezember der Fall sein. Viel Hoffnung sollte Trump sich aber nicht machen. Auch die Wahlbehörde in Wisconsin hat klargemacht, Genauigkeit geht vor Schnelligkeit.

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