Merkel: Neujahrsansprache:"Wohlstand erhalten, unsere Art zu leben ändern"

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Lektion gelernt? In ihrer Neujahrsansprache fordert Kanzlerin Merkel eine Neuausrichtung des Wirtschaftssystems. "Das Zusammenballen von Maßlosigkeit und Verantwortungslosigkeit" soll in Zukunft rechtzeitig verhindert werden.

Claus Hulverscheidt

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat eine grundlegende Neuausrichtung des Wirtschaftssystems angekündigt. Deutschland müsse seine "Wirtschaftsweise mit ganzer Kraft hin zu mehr Nachhaltigkeit umbauen", sagte Merkel bei der Aufzeichnung ihrer Neujahrsansprache. "Wir alle können uns fragen, wie wir langfristiger denken können in der Wirtschaft, bei den Finanzen, in der Sozial- und Integrationspolitik, nicht zuletzt aber auch, indem wir noch mehr in unsere Bildung investieren", betonte sie.

"Wir können mit guten Gründen hoffen, dass Deutschland diese Krise meistern wird", sagt Kanzlerin Angela Merkel. (Foto: Foto: AP)

Voraussetzung für einen Erfolg sei, dass die Gesellschaft auch nach Überwindung der jetzigen Wirtschaftskrise zusammenstehe. Im neuen Jahrzehnt entscheide sich, "wie wir unseren Wohlstand erhalten, indem wir unsere Art zu leben und zu wirtschaften ändern". Die Ansprache sollte am Silvesterabend im Fernsehen ausgestrahlt werden.

Merkel warnte davor, die derzeitigen ökonomischen Turbulenzen als Ausrede dafür zu benutzen, die wichtigsten Probleme der Menschheit in den Hintergrund zu drängen. Als Beispiel nannte sie den Klimagipfel von Kopenhagen, der nach Ansicht von Experten kaum Fortschritte im Kampf gegen die Erderwärmung gebracht hatte. "Die Welt muss zeigen, dass sie ihre Lektion umfassend gelernt hat. Wirtschaft und Umweltschutz sind keine Gegensätze, sie bedingen einander - mehr denn je.

Davon dürfen wir uns auch durch Rückschläge wie den der Klimakonferenz in Kopenhagen nicht beirren lassen", betonte die Kanzlerin. In der dänischen Hauptstadt habe sie sowohl "guten Willen und Bereitschaft zum Handeln" erlebt, als auch "Zögern und Eigensinn". Sie bekräftigte ihre Bereitschaft, über die in Europa vereinbarten CO2-Minderungsziele hinauszugehen. Deutschland werde weiter dafür werben, dass globale Probleme nur gemeinsam gelöst werden könnten.

Merkel kündigte auch neue Regeln für die Finanzmärkte an, um "das Zusammenballen von Maßlosigkeit und Verantwortungslosigkeit" in Zukunft rechtzeitig verhindern zu können. Sie bekräftigte dabei ihre Einschätzung, dass der von den Banken ausgelöste Wirtschaftseinbruch noch nicht vorbei sei. "Manches wird gerade im neuen Jahr erst noch schwieriger, bevor es wieder besser werden kann", sagte sie mit Blick auf den Arbeitsmarkt, der die wirtschaftliche Entwicklung stets mit Verzögerung nachvollzieht. "Aber wir können mit guten Gründen hoffen, dass Deutschland diese Krise meistern wird", fügte sie hinzu.

Die Kanzlerin erinnerte daran, dass für sie der 31. Dezember des Jahres 2009 "kein Silvesterabend wie jeder andere" sei. Vielmehr sei vor 20 Jahren die Berliner Mauer gefallen, weshalb sie 1989 in Hamburg erstmals mit westdeutschen Verwandten ins neue Jahr habe feiern können. "Mein erstes Silvester in Freiheit nach 35 Jahren meines Lebens in der DDR war einmalig. Es war wunderbar", sagte sie. "Ohne den Mauerfall wäre mein Leben wie das aller DDR-Bürger völlig anders verlaufen."

Merkel dankte zudem den Polizisten, Soldaten und zivilen Helfern, die an vielen Orten der Welt unter Einsatz ihres Lebens ihren Dienst verrichteten. Sie wandte sich vor allem an die deutschen Truppen in Afghanistan, deren Auftrag es sei, Sicherheit und Stabilität zu schaffen, "dass von dort nie wieder Gefahr für unsere Sicherheit und unser Wohlergehen ausgeht". Politisch müssten jetzt die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass die Verantwortung für die Sicherheit vor Ort in den nächsten Jahren Schritt für Schritt auf die Afghanen übergehen könne. Dazu diene die Afghanistan-Konferenz Ende Januar in London.

© SZ vom 31.12.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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