Angela Merkel auf Einheitsfeier:"Freuen wir uns an der Vielfalt unseres Landes"

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Angela Merkel beim Bad in der Menge in Kiel. (Foto: Axel Heimken/dpa)
  • Angela Merkel hält die "Einheit der Deutschen" für noch nicht vollendet. Sie sei ein "fortwährender Prozess" und ein "ständiger Auftrag", sagte sie beim Festakt zum Tag der Deutschen Einheit in Kiel.
  • Die Bundeskanzlerin verwies darauf, dass "viele Ostdeutsche den Prozess heute nicht nur mit positiven Erfahrungen" verbänden.
  • Merkel rief zu "Offenheit im Austausch untereinander" und zu Kompromissbereitschaft auf.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht in Deutschland weiterhin Defizite im Zusammenhalt zwischen Ost und West. Die staatliche deutsche Einheit sei vollendet, die Einheit der Deutschen sei es nicht, sagte Merkel am Donnerstag beim Festakt zum Tag der Deutschen Einheit in Kiel. "Die deutsche Einheit ist kein Zustand, einmal vollendet und abgeschlossen, sondern ein fortwährender Prozess; ein ständiger Auftrag, der alle Deutschen betrifft", so die Kanzlerin. Individuelle Freiheit sei nicht ohne individuelle Verantwortung zu haben.

Merkel rief in ihrer Rede zu demokratischem Engagement auf. "Als Bürgerinnen und Bürger in der Demokratie haben wir alle eine Verpflichtung", sagte die CDU-Politikerin. Freiheit sei immer "Freiheit in Verantwortung".

Die Bundeskanzlerin würdigte die Leistungen der Ostdeutschen bei der Überwindung der SED-Diktatur in der DDR und bei der Wiedervereinigung Deutschlands. Die friedliche Revolution von 1989 sei gelungen, weil sich die Menschen "die Mündigkeit nicht mehr länger vorenthalten lassen wollten". Seit der Wiedervereinigung sei viel erreicht worden. Dennoch verbänden viele Ostdeutsche den Prozess heute nicht nur mit positiven Erfahrungen. Sie verwies auf die Brüche, die viele erlebt hätten, "als auf die Last der Teilung die Wucht der Einigung folgte". Die staatliche Vereinigung habe für die Ostdeutschen zu elementaren Veränderungen geführt. Repräsentative Umfragen zeigten, dass sich eine Mehrheit der Ostdeutschen als Bürger zweiter Klasse fühle. Die Mehrheit der Westdeutschen indes habe die Ereignisse "eher aus der Rolle eines Zuschauers betrachtet".

Die Wiedervereinigung müsse als "historischer Glücksmoment der Nation", aber auch als "Anerkennung unterschiedlicher Lebenserfahrungen auch mit Verlust" gesehen werden, sagte Merkel. In der Rede erinnerte sie an die Opfer der SED-Diktatur in der DDR. "Sie sollten wir nie vergessen. Auch an einem Tag der Freude wie heute nicht."

Merkel rief zu Offenheit im Austausch untereinander, einem globalen statt nationalen Denken und zu Kompromissbereitschaft auf. Zugleich forderte sie ein Nein zu Intoleranz, Antisemitismus und Ausgrenzung von Minderheiten. "Freuen wir uns an der Vielfalt unseres Landes", beendete sie ihre Rede.

Am 3. Oktober 1990 waren die nach dem Mauerfall 1989 und dem anschließenden Zusammenbruch der DDR neu gegründeten ostdeutschen Bundesländer der Bundesrepublik Deutschland beigetreten. Die Festlegung des Feiertags auf den 3. Oktober war Teil des Einigungsvertrages.

Schleswig-Holstein führt in diesem Jahr den Vorsitz im Bundesrat und richtet deshalb in Kiel die zentralen Einheitsfeiern aus. Rund eine Million Menschen werden zum Bürgerfest erwartet, das am Mittwoch begonnen hatte.

© SZ.de/epd/KNA/dpa/kit - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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