Menschenrechte:Liu Xiaobos Witwe in Berlin gelandet

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Nach ihrer Landung in Berlin-Tegel steigt Xia in ein Auto. (Foto: AFP)
  • Die Witwe des Nobelpreisträgers Liu Xiaobo ist in Deutschland eingetroffen.
  • Sie soll hierzulande medizinisch behandelt werden.
  • Liu Xia leidet unter Depressionen. Wegen kritischer Einlassungen ihres verstorbenen Ehemanns hatte sie in China acht Jahre lang in Hausarrest verbracht.

Nach acht Jahren Hausarrest hat China die Witwe des chinesischen Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo ausreisen lassen. Die unter Depressionen leidende Liu Xia will sich in Deutschland ärztlich behandeln lassen. Nach einem Zwischenstop in der finnischen Hauptstadt Helsinki ist sie inzwischen auf dem Flughafen Berlin Tegel gelandet.

Die 57-jährige Künstlerin war mit einem freudigen Lächeln in Helsinki eingetroffen, wie auf Bildern von der Ankunft zu sehen war. Die Freilassung der Künstlerin wurde als "lange überfällige humanitäre Geste" international begrüßt. Der Bruder Liu Hui gab die Nachricht, dass seine Schwester "ein neues Leben beginnt", über das soziale Netzwerk WeChat bekannt. "Dank an alle, die sich über all die Jahre gekümmert und ihr geholfen haben", schrieb Liu Hui kurz nach ihrem Abflug. "Wir wünschen ihr Frieden und ein glückliches Leben in der Zukunft."

Liu Xia zeigte ein strahlendes Lächeln, als sie zur Zwischenlandung in Helsinki eintraf. (Foto: AFP)

Die Ausreise der Dichterin und Fotografin erfolgte nur drei Tage vor dem ersten Jahrestag des Todes von Liu Xiaobo, der am 13. Juli 2017 im Alter von 61 Jahren in Haft an Leberkrebs gestorben war. Als erstem Chinesen war dem Bürgerrechtler 2010 der Friedensnobelpreis für "seinen langen und gewaltlosen Kampf für fundamentale Menschenrechte in China" verliehen worden. "Liu Xia ist aus freien Stücken zur medizinischen Behandlung nach Deutschland gegangen", teilte Chinas Außenamtssprecherin Hua Chunying mit. Die Ausreise habe aber nichts mit dem Besuch von Premier Li Keqiang zu deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen am Montag in Berlin zu tun.

Deutschland und die USA kämpften für Xias Freilassung

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sich wiederholt für die Freilassung und Ausreise von Liu Xia eingesetzt. "Entscheidend für die Freilassung war offensichtlich der letzte Besuch von Kanzlerin Merkel im Mai", sagte ein Freund, der engen Kontakt mit Liu Xia hatte, der Deutschen Presse-Agentur. Der Künstlerin war bereits Mitte vergangener Woche in Aussicht gestellt worden, dass sie ausreisen könne, wie der Freund schilderte. "Seit über vier Jahren ist die deutsche Botschaft in Peking die einzige, die ständig mit ihr telefonisch Kontakt hatte, auch wenn sie zwischendurch mal ein Vierteljahr nicht erreichbar war, weil sie irgendwohin gebracht worden war", berichtete er. "Ich weiß, dass der deutsche Botschafter zuletzt regelmäßig mit ihr telefoniert hatte, besonders seit dem Tod von Liu Xiaobo." In ihren Bemühungen hatten die Deutschen auch immer sehr eng mit den Amerikanern kooperiert.

Liu Xias gesundheitlicher Zustand wurde als schlecht beschrieben. Sie sei vor der Ausreise "ganz durcheinander" gewesen. Nach acht Jahren Hausarrest mit allen Beschränkungen sei sie überwältigt gewesen von der plötzlichen Freilassung und der Ausreise in eine völlig andere Welt, hieß es.

Nicht nur Freunde, sondern auch Menschenrechtsexperten der Vereinten Nationen sind schon lange in "tiefer Sorge" über ihren psychischen Zustand. Nach Angaben ihres Freundes Liao Yiwu sind ihre Depressionen so schlimm, dass sie auch schon mal bewusstlos zusammenbricht oder unter Herzproblemen und anderen Symptomen leidet. Sie nehme starke Medikamente dagegen, die aber Halluzinationen auslösten. In einem Telefonat am 25. Mai sagte Liu Xia dem exilierten Dichter: "Wenn ich tot bin, falle ich niemandem mehr zu Last."

Ihr Mann Liu Xiaobo war 2009 wegen "Untergrabung der Staatsgewalt" zu elf Jahren Haft verurteilt worden. Er war 2008 Mitverfasser der "Charta 08", in der ein "freier, demokratischer und verfassungsmäßiger Staat" gefordert wird. Seine Freunde erinnern an Liu Xiaobo als großen Vordenker und sanften Vorkämpfer für Demokratie.

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