Meinungsfreiheit:Böhmermann unterliegt vor Verfassungsgericht

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Große Teile eines Schmähgedichts des Satirikers über den türkischen Präsidenten Erdoğan bleiben damit verboten.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Der Satiriker Jan Böhmermann hat den Prozess um sein Schmähgedicht gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan endgültig verloren. Das Bundesverfassungsgericht hat seine Beschwerde abgewiesen - und zwar ohne Begründung. In dem Beschluss einer Kammer des Ersten Senats heißt es lediglich: "Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat." Damit bestätigte es die Urteile der Hamburger Justiz, die wesentliche Teile des Gedichts untersagt hatte. Begründungslose Beschlüsse kommen in Karlsruhe zwar häufig vor, allerdings ist dieses Vorgehen für einen juristisch umstrittenen wie politisch brisanten Fall ungewöhnlich.

Böhmermann hatte das Gedicht mit dem Titel "Schmähkritik" in seiner Sendung "Neo Magazin Royale" vor sechs Jahren vorgetragen. Es enthielt wüste, vielfach sexuell konnotierte Beschimpfungen des türkischen Staatspräsidenten. Allerdings war es eingekleidet in eine Moderation in pädagogischem Tonfall, die deutlich machte, dass genau dies - das vorgetragene Gedicht voller übler Beleidigungen - in Deutschland nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt sei. Bis zu dieser Grenze sei aber auch Kritik an ausländischen Politikern vom Grundgesetz geschützt. Damit reagierte Böhmermann auf Einschüchterungsversuche des türkischen Präsidenten gegen deutsche Journalisten. Nach Kritik in einer NDR-Sendung hatte Erdoğan den deutschen Botschafter einbestellt.

Ob eine solche - eigentlich klar unzulässige - "Schmähkritik" in einem solchen Kontext erlaubt sein könnte, war damals unter Juristen kontrovers diskutiert worden. Politisch sorgte der Vorfall für einen Eklat. Erdoğan ging gegen Böhmermann auch strafrechtlich vor. Die Staatsanwalt Mainz ermittelte aufgrund seiner Anzeige wegen "Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten", stellte das Verfahren aber wieder ein. Der aus der Zeit gefallene, einst als Majestätsbeleidigung bekannte Paragraf wurde Anfang 2018 aus dem Strafgesetzbuch gestrichten.

Übrig blieb allerdings eine Unterlassungsklage, mit der Erdoğan bei der Hamburger Justiz Erfolg hatte. Das Oberlandesgericht (OLG) untersagte 18 von 24 Zeilen des Gedichts. Dabei hatten die Richter keinen Zweifel, dass es sich um Satire handle, die grundsätzlich auch in einer polemischen, überspitzten Form von der Meinungsfreiheit geschützt sei. "Dieser Schutz setzt aber voraus, dass mit der Äußerung auch wirklich eine Kritik hervorgebracht wird", hieß es damals. Die bloße Herabsetzung einer Person sei nicht geschützt.

Daran ändert aus Sicht des OLG auch die didaktische Einkleidung des Gedichts nichts. Der Vortrag sei ja keine "vorlesungs- oder seminarähnliche Demonstration möglicher Arten von Meinungsäußerungen" gewesen, sondern eine Anhäufung von "zuvor als unerlaubt charakterisierter Beschimpfungen". Mit der Abweisung der Beschwerde hat das Bundesverfassungsgericht diese Einschätzung im Ergebnis bestätigt.

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