Mecklenburg-Vorpommern:Internieren und töten

Lesezeit: 3 min

Die Bundesanwaltschaft verdächtigt einen Anwalt und einen Polizisten, über die Liquidierung von Politikern und Funktionären fabuliert zu haben. Wohnungen werden durchsucht.

Von Hans Leyendecker und Georg Mascolo, München

Hundegebell, klirrende Fensterscheiben und ein Großaufgebot von Polizisten: Um vier Uhr morgens spielten sich am Montag bei Razzien in Mecklenburg-Vorpommern wilde Szenen ab. Die Bundesanwaltschaft hat den Verdacht, dass ein Rostocker Anwalt und Bürgerschaftsabgeordneter sowie ein Beamter der Polizeiinspektion Ludwigslust eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet haben sollen. Sie sollen sich in Chats mit anderen darüber unterhalten haben, dass diese Republik politisch durch eine aus ihrer Sicht verfehlte Flüchtlings- und Zuwanderungspolitik in der Katastrophe enden werde. Die staatliche Ordnung werde möglicherweise zusammenbrechen, worauf man vorbereitet sein müsse. Vertreter des linken Spektrums müssten interniert und dann umgebracht werden.

Ein Anwalt, der in Rostock stellvertretender Fraktionsvorsitzender einer Partei ist, die den Oberbürgermeister stellt, und ein Polizist, der unter Kameraden einen guten Namen hatte, sollen darüber fabuliert haben, wer in dieser Republik liquidiert werden muss. Nach einer angeblichen Todesliste, von der im Netz die Rede war, forschten die Ermittler nach der Beschlagnahme von Unterlagen, doch eine solche Liste wurde nicht gefunden. Sichergestellt wurden nur Angaben über Politiker der FDP, der Grünen, der Linken aus Land und Bund, Namen von Flüchtlingsverbänden, von Arbeiterwohlfahrt und Gewerkschaften. Was sollte das?

Schon im August 2017 gab es spektakuläre Durchsuchungen bei den Mitgliedern der "Nordkreuz"-Gruppe - damals noch ergebnislos. (Foto: Jens Büttner/dpa)

Durchsucht wurden am Montag auch die Wohnungen von vier Leuten, die mit dem Polizisten und dem Anwalt gechattet haben sollen. Bürgerliche Leute. Ein höherrangiger Polizist soll darunter sein. Sie sind nicht Beschuldigte, sondern nur Zeugen. Mit dem Liquidieren sollen sie nicht einverstanden gewesen sein oder sich dazu nicht geäußert haben.

Das Milieu, in dem der Fall spielt, ist das "Prepper"-Milieu. Ein Prepper ist jemand, der sich auf alle möglichen (natürlich schlechten) Entwicklungen vorbereitet: Umweltkatastrophen, Krieg, Zusammenbruch jeglicher Art. Die Bewegung kommt aus den USA, hat in Deutschland Zigtausende Anhänger gewonnen, die sich gewöhnlich mit gehorteten Lebensmitteln, Schlafsäcken, Klopapierrollen, Radios mit Batterien und Wasserfiltern auf alles mögliche vorbereiten. Daneben gibt es eine Gruppe von Leuten, die auch Waffen hortet. Und dann gibt es noch die, wie der Fall Mecklenburg-Vorpommern zeigt, die ohnehin Waffen haben und angeblich gegen die Feinde einsetzen wollen.

So sicher sind sich die Ermittler offenbar nicht. Haftbefehle haben sie jedenfalls nicht beantragt

Aus den Chats hat die Bundesanwaltschaft herausgelesen, dass der Anwalt und der Polizist angeblich über die Krise als Chance geredet haben sollen. Wenn alles zusammenbricht, kommen die Linken in Haft - und sollen getötet werden. Der Anwalt, der auch Jäger sein soll, und der Polizist besitzen legal Waffen. Sie sollen sich als "Prepper" auch mit Munition eingedeckt haben. Der Anwalt hat als Lokalpolitiker Erfahrungen im Haupt-Bau-Rechnungsprüfungs-und Wahlausschuss gesammelt und soll dann am Feierabend über das Liquidieren von Menschen nachgedacht haben. Kann das sein?

Die Ermittler sind sich nicht so sicher. Seit den Erfahrungen mit den Neonazi-Mördern vom NSU wird rechts generell nichts mehr ausgeschlossen, aber es gibt auch die Erfahrung, dass es in diesem Spektrum viele Maulhelden gibt. Der rechtsextreme Bundeswehrsoldat Franco A., der sich als Syrer ausgab und eine Todesliste deutscher Politiker zur Hand gehabt haben soll, beschäftigt mit seinem Netzwerk die Strafverfolger. Auch da ging es um eine angeblich "verfehlte Flüchtlingspolitik".

Auffällig ist, dass die Karlsruher Ermittler in dem neuen Fall keine Haftbefehle gegen die beiden Beschuldigten beantragt haben. Sie wollen offenbar ausloten, ob Chats und Realität etwas miteinander zu tun haben: "Die heutigen Durchsuchungsmaßnahmen dienen dazu, die bestehenden Verdachtsmomente zu objektivieren", erklärt die Karlsruher Bundesanwaltschaft.

Es gibt ganz rechts üble Figuren, aber wie gefährlich sind sie wirklich? Bei dem neuen Fall verweisen manche Kenner auf den Fall der Druiden. Anfang des Jahres wurde von Karlsruhe ein Verfahren wegen des Verdachts der Gründung und der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung eingeleitet. Der Hauptbeschuldigte, ein glühender Antisemit, forderte im Netz: "Röhre gucken. 94 Milliarden für Asylanten ohne Wimpernzucken, hängen wir sie endlich auf!" Ein Kumpan aus der rechtsextremen Berliner Szene stimmte zu: "Greift zu, wehrt euch Freunde, denn von uniformierten Terroristen haben wir keinen Schutz mehr zu erwarten". 1200 Schuss Munition und ein seltsames Arsenal umgebauter Maulwurffallen wurden bei dem Hauptbeschuldigten gefunden. Vor Kurzem erklärte Karlsruhe, dass die Gruppe um den selbsternannten Druiden keine rechtsextreme Terrorzelle gewesen sei. Die Ermittlungen hätten zwar die rechtsextreme Weltanschauung der Verdächtigen bestätigt. Es gebe aber weder Belege für strukturelle Verbundenheit, noch für Anschläge auf Juden, Muslime, Flüchtlinge und Polizisten. Der Hauptbeschuldigte blieb in Untersuchungshaft, was nicht jedem gefiel. Ein Mithäftling hatte sich beim Leiter der Justizvollzugsanstalt gemeldet und gebeten, aus der Zelle verlegt zu werden. Er könne die Bekehrungsversuche des Druiden nicht mehr ertragen.

© SZ vom 29.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: