Mecklenburg-Vorpommern:Die Freunde vom Schießplatz

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SPD-Ministerpräsidentin Manuela Schwesig drängt ihren Vize, "alle Fragen zu klären". (Foto: Jens Büttner/dpa)

Der Druck auf Lorenz Caffier wegen des Kaufs einer Kurzwaffe wächst.

Von Peter Burghardt, Hamburg

Der Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern war gern gesehener Gast, wenn sich auf dem Schießplatz von Güstrow Polizisten, Soldaten und Waffenfirmen zum Wettkampf trafen. "Special Forces Workshop" nannte sich die Veranstaltung, organisiert von Landeskriminalamt und SEK des nordostdeutschen Bundeslandes sowie dem privaten Gastgeber "Baltic Shooters". Enorme Mengen von Munition wurden dabei verschossen.

Noch im Herbst 2018 versammelten sich Spezialkräfte dort, Lorenz Caffier von der CDU war wie üblich der Schirmherr. "Anfang 2018" hatte sich Caffier beim Geschäftsführer von "Baltic Shooters" und Schießplatz-Chef Frank T. selbst "eine Kurzwaffe" gekauft, wie er nun einräumte. Dabei wurde bereits seit 2017 gegen eine rechtsextreme Prepper-Gruppe namens Nordkreuz ermittelt. Deren Leute übten in dem Schießzentrum, der Schießplatz-Chef und Verkäufer von Caffiers Waffe soll ihnen nahegestanden haben. Sie bekamen auf diese Weise auch tiefe Einblicke in staatliche Sicherheitsstrukturen.

Jetzt, gut zweieinhalb Jahre nach dem Kauf, muss sich der Innenminister und stellvertretende Regierungschef Caffier, 65, Fragen gefallen lassen. Auch von seiner Chefin. Wobei noch nicht klar ist, was diese Fragen für ihn und die rot-schwarze Koalition in Schwerin bedeuten. Steht Caffiers Rauswurf oder Rücktritt bevor?

Der Sache mit der Waffe war Caffier immer wieder ausgewichen, obwohl sich vor allem die taz immer wieder erkundigte. Die Korrespondentin der New York Times twittert, er habe sie im Juli 2020 auf Nachfrage hin angelogen. Die Geschichte um Nordkreuz ist von überregionalem Interesse. Nordkreuz-Männer um den inzwischen auf Bewährung verurteilten Marko G. horteten Waffen und Munition für einen Tag X, auch von Todeslisten und Leichensäcken war die Rede. Zehntausende Patronen verschwanden aus Beständen von Polizei und Bundeswehr, offenbar auch auf diesem Schießplatz, auf dem auch der vormalige SEK-Mann Marko G. schoss und ausbildete.

Am Donnerstag antwortete Caffier bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes auf die Frage nach seiner Waffe, dies sei Privatangelegenheit. Angesichts der entsetzten Reaktionen und offenbar auch auf Rat seiner Vorgesetzten Manuela Schwesig gab er dann am späten Freitagnachmittag im Spiegel zu, dass er die Kurzwaffe, also eine Pistole, bei Frank T. gekauft habe. "Ich bin seit 40 Jahren Jäger, da gehören Kurzwaffen zur normalen Ausrüstung." Niemand habe bei Frank T. damals Kontakte zu Rechtsextremisten vermutet, so Caffier. "Mit dem Wissen von 2019 hätte ich natürlich keine Waffe dort erworben." Wusste der Dienstherr über Polizei und Verfassungsschutz nichts von den Ermittlungen gegen Nordkreuz? Caffier will erst 2019 vom Bundeskriminalamt Unterlagen zum Komplex Nordkreuz bekommen haben. Danach sei die Zusammenarbeit von LKA und "Baltic Shooters" gestoppt worden.

Am Samstagabend meldete sich Mecklenburg-Vorpommerns SPD-Ministerpräsidentin Schwesig zu dem Fall. Sie habe am Nachmittag ein Gespräch mit Caffier geführt, hieß es aus der Staatskanzlei. "Er hat ihr versichert, dass er zum Zeitpunkt des Kaufes seiner Waffe keine Anhaltspunkte für einen Verdacht gegen den Verkäufer der Waffe hatte." Schwesig bittet ihren Vize, "alle Fragen zu klären, den Sachverhalt aufzuarbeiten und im Parlament und in der Öffentlichkeit zu erläutern". Das Eintreten für Demokratie und Freiheit und der Kampf gegen den Rechtsextremismus seien zentrale Anliegen der Regierung. "Daran darf es keinen Zweifel geben."

Es sind diplomatische bis deutliche Sätze, ein knappes Jahr vor der Landtagswahl. Der Linken-Abgeordnete Peter Ritter will, dass außer dem Waffenkauf auch besprochen werde, was die Behörden und Dienste zwischen Sommer 2017, als Nordkreuz aufflog, und dem Zeitpunkt des Waffenkaufs 2018 "getan oder unterlassen haben". Er erwartet auch, dass der Bericht einer von Caffier eingesetzten "Prepper-Kommission" vorgelegt wird. "Die Zeit der Ausreden ist vorbei."

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