McCains Nominierungsrede:Pathos, Patria und Patina

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John McCains Rede auf dem Parteitag ist bieder, monoton und langweilig. Er bleibt allgemein, die Drecksarbeit überlasst er anderen. Dem Einzug ins Weiße Haus hat McCains Auftritt nicht genutzt.

C. Wernicke, St. Paul

So wird John McCain niemals Präsident. Denn auf diese Weise kann der Republikaner nicht einmal seine eigenen Parteifreunde an die Wahlurnen locken.

Bieder, monoton und schlicht langweilig: John McCain während seiner Nominierungsrede in St. Paul. (Foto: Foto: Reuters)

Bieder, monoton und über weite Wortstrecken schlicht langweilig fiel die Rede des alten Senators aus, als er in St. Paul die Nominierung zum Anwärter auf das Bush-Erbe akzeptierte. Gefühle, gar Leidenschaft vermochte McCain nur zu mobilisieren, da er seine Biographie als US-Kriegsheld im vietnamesischen Kerker referierte. Es ist ein heroisches, aber eben ein allmählich recht abgegriffenes Kapitel seines Wahlkampfes. Und in die Zukunft weist es nicht.

Sicher, zum Teil war es berechnende Taktik, dass McCain den unaufgeregten, über den Parteigräben stehenden Ehrenmann spielte. Die Drecksarbeit aggressiver Attacken hatte ihm einen Tag zuvor sein "Pitbull mit Lippenstift", die vom Nobody zum neuen Parteiidol aufgestiegene Sarah Palin, abgenommen.

Die kulturkämpferischen Tiraden der Vize-Kandidatin aus Alaska haben die konservative Basis auf Trab gebracht, nun wollte John McCain die Mitte im Land angehen. Aber seine Ideen und Angebote blieben vager und einfallsloser als alles, was etwa Barack Obama - Amerikas derzeit größter Orator - eine Woche zuvor in Denver feilzubieten hatte.

Und der selbsterklärte Freigeist mochte es nicht riskieren, die Delegierten mit nötigen Reformen zu provozieren, die nicht in verstaubten Parteifibeln stehen: Kein Wort also zum globalen Klimaschutz, keine Kritik an Guantanamo oder an der CIA-Folter von Gefangenen, wie er sie ähnlich doch am eigenen Leib in Vietnam hatte erleiden müssen.

Statt dessen nur Pathos, Patria und Patina. Genau 43 Mal bemühte John McCain das Wort "Kampf". Nur, kämpferisch wirkte er selbst allenfalls für dreißig Sekunden gegen Ende seines Referats.

Die Partei möchte losschlagen. Sie hat in dieser Woche mehr Spaß an Sarah Palin als Freude an John McCain gehabt. George W. Bush, von McCain nicht einmal beim Namen genannt, wird derweil kollektiv verdrängt. Nur so kann die Grand Old Party behaupten, sie wolle - nach beinahe acht Jahren an der Macht - Washington erneuern. Das allein ist schon kühn. Geradezu verwegen wird das Unterfangen, wenn ihr Spitzenkandidat in den nächsten 60 Tagen weiterhin so matt und müde dreinschaut wie in der vergangenen Nacht.

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