Marine-Einsatz im Libanon:Angst vor fremden Matrosen

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Einsatz vertagt: Vor allem die Hisbollah scheint sich gegen deutsche Soldaten an Libanons Küsten zu sperren. Ob ein Bundeswehreinsatz in Nahost überhaupt zustande kommt, ist völlig offen.

Tomas Avenarius und Jens Schneider

So, wie es aussieht, können die deutschen Matrosen ihre Seesäcke fürs Erste zurück in den Spind stellen. Die Anforderung deutscher Kriegsschiffe zur Sicherung der libanesischen Seegrenze ist vertagt worden, weil die Regierung in Beirut sich uneins ist. Es sind mehrere Gründe, die der Anforderung deutscher Marine-Einheiten durch die Koalitionsregierung in Beirut entgegenstehen.

Im Kabinett von Premierminister Fouad Siniora gibt es offenkundig unterschiedliche Einschätzungen darüber, welche Konsequenzen es für die Souveränität des Landes hat, wenn internationale Truppen die Grenzen des Landes kontrollieren.

Die Regierung und auch die Hisbollah, die mit zwei Ministern im Kabinett vertreten ist, hat keine Probleme mit den Blauhelm-Soldaten im Süden des Landes - die würden dort den Puffer zwischen der Hisbollah-Miliz und der israelischen Armee darstellen. Anders sieht es in der Frage der Seegrenze aus: Ein Teil der Minister betrachte die Grenzsicherung durch internationale Truppen als Aufgabe nationaler Souveränität, sagen politische Beobachter in Beirut. Die Hisbollah habe sich stets Einmischung von außen verbeten. Diese Position vertritt offenbar auch der einflussreiche Parlamentssprecher Nabih Berri.

Aus gutem Grund

Premier Siniora steht dem Koalitionskabinett eher moderierend als führend vor, aus gutem Grund: Er kann Konsens nicht erzwingen. Glaubt man Berichten aus Beirut, wird noch diskutiert, ob man nicht statt der Bereitstellung weiterer internationaler Truppen technische Unterstützung für die libanesische Armee und Marine anfordern könne.

Die libanesische Regierung hatte bereits in der vergangenen Woche gegenüber der Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) bei deren Besuch in Beirut ihr Anliegen vorgetragen, dass sie deutsche Technik zum Durchleuchten von Lastwagen und an den Grenzen des Libanon als Hilfe ansehen würde.

Die Sorgen um die nationale Souveränität sind naheliegend, da der Libanon eine Geschichte der Einmischung von außen hat, durch syrische oder israelische Besatzung oder durch die Anwesenheit ausländischer Truppen wie der USA oder Frankreichs während des Bürgerkriegs.

Vergessen werden darf auch nicht, dass die israelische Libanon-Blockade zur See und in der Luft auch Wochen nach dem Ende der Kampfhandlungen weiter in Kraft ist. Auf dem internationalen Flughafen Beirut landen bisher nur Maschinen der staatlichen libanesischen Fluglinie sowie jordanische Jets und Hilfslieferungen. Die Seeblockade besteht ebenfalls noch. Israel will sie erst aufheben, wenn ausreichend UN-Truppen die Kontrolle der Seegrenze übernehmen und so Waffenlieferungen an die Hisbollah verhindern. Da Libanon ein Handelsland und eine Drehscheibe des Warenverkehrs im Nahen Osten ist, fügt die Blockade dem Land schweren wirtschaftlichen Schaden zu. Sie wird auch von ausländischen Hilfsorganisationen im Land als großes Hindernis beim Wiederaufbau bezeichnet. Das Wirtschaftsleben stehe dadurch nahezu still, lautet die Klage.

Israel hatte zu Beginn der Feindseligkeiten Mitte Juli eine Land-, See- und Luftblockade über den Libanon verhängt. Nachdem der Flughafen und der Seehafen von Beirut bombardiert worden waren und israelische Kriegsschiffe vor der Küste kreuzten, war der internationale Luft- und Schiffsverkehr eingestellt worden. Rund 100 Abgeordnete hatten daher am Samstag einen Sitzstreik im libanesischen Parlament begonnen, gegen die Blockadepolitik Israels.

Parlamentssprecher Berri hatte die arabischen Staaten aufgefordert, ihre Handelsschiffe sollten die Sperren einfach durchbrechen und die Weltgemeinschaft aufgefordert, sich gegen diese "Fortsetzung des Terrorkriegs der Israelis" zu wenden.

Versprechen an Annan

Der schiitische Politiker, der mit seiner Partei Amal ein enger Bundesgenosse der Hisbollah ist, warf Israel vor, die Seeblockade quasi zu einem Teil der UN-Resolution 1701 zu machen. Zuvor hatte es schon Streit um die Frage gegeben, ob Blauhelmtruppen die Landesgrenzen zwischen Syrien und Libanon kontrollieren dürften. Israel macht eine zuverlässige Abriegelung der 300 Kilometer langen Landgrenze ebenfalls zur Bedingung.

Nachdem Syrien die Stationierung von Blauhelmen an der libanesisch-syrischen Grenze als "feindlichen Akt" abgelehnt hatte, soll nun die libanesische Armee die 300 Kilometer lange Grenze gegen Waffenlieferungen an die Hisbollah absichern. Syriens Staatschef Baschar al-Assad hat UN-Generalsekretär Kofi Annan versprochen, unerlaubte Transporte von syrischer Seite aus zu unterbinden.

© SZ vom 4.9.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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