Malta:Muscats Machtkampf

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Die Ermittlungen zum Mord an der Bloggerin Daphne Galizia bedrohen Maltas Premier immer stärker: Nachdem bekannt wurde, dass er lange von Ermittlungen gegen einen Geschäftsmann aus seinem Umfeld wusste, scheint sein Rücktritt bevorzustehen.

Von Oliver Meiler, Rom

Maltas Premier Joseph Muscat stand am Freitag offenbar kurz vor dem Rücktritt, das zumindest berichteten die Times of Malta und der online-Dienst Malta today. Muscat habe eine Vertrauensabstimmung im Kabinett verloren, hieß es. Die Kritik an Muscat war immer lauter geworden, und kommt mittlerweile selbst aus dem eigenen Lager. Doch die ganze Woche klammerte sich der Regierungschef von der Labour Party an die Macht. "Solange diese Ermittlungen laufen, bleibe ich im Amt", sagte er bei einem seiner Auftritte vor den Medien. Seitdem diese Woche drei seiner engsten Mitarbeiter und hohen Kabinettsmitglieder zurücktraten, muss sich Muscat fast stündlich erklären. Zuweilen auch mitten in der Nacht.

Ob er die Malteser damit noch erreicht, ist jedoch fraglich. In Valletta demonstrieren täglich aufgebrachte Menschen gegen die angeblich korrupte Clique, die ihr Land regiere. Zu den Slogans, die sie skandieren, gehört auch: "Haut ab!"

Die jüngsten, dramatischen Neuigkeiten der Ermittlungen zum Mord an der Journalistin und Bloggerin Daphne Caruana Galizia am 16. Oktober 2017 haben eine dunkle, seit langem verhandelte These gestärkt: Dass der Auftrag, die unbequeme, furchtlose Rechercheurin zu töten, aus der Regierung gekommen sein könnte. Genauer: aus dem Büro Keith Schembris, Stabschef und Vertrauter des Premiers.

Erst wollten die Täter Galizia erschießen. Eine Autobombe erschien ihnen dann sicherer

Schembri trat vor einigen Tagen zurück, wurde verhaftet und kam wieder frei - was den Zorn der Malteser weiter befeuern könnte. Fragen stellt man sich auch im Ausland. Auf Initiative des grünen Abgeordneten Sven Giegold beschloss das Europaparlament, "eilig" eine Delegation nach Malta zu entsenden, die nachschauen soll, ob der Rechtsstaat im kleinsten EU-Mitglied noch funktioniert. Es gibt Zweifel an der Unabhängigkeit der Justiz. Die Times of Malta berichtet, Muscat habe der EU-Kommissarin für Menschenrechte, Dunja Mijatovic, per Brief ausrichten lassen, sie müsse sich keine Sorgen machen. Die Untersuchungen im Mordfall "sind und bleiben frei von jeder politischen Einmischung". Auch in Malta will der Premier die jüngsten Entwicklungen als Beleg dafür sehen, dass alles daran gesetzt werde, die Wahrheit zu finden.

Nun aber wurde publik, dass Muscat über eine entscheidende Spur der Fahnder seit 15 Monaten Bescheid wusste - über die mutmaßliche Verwicklung in den Mord von Yorgen Fenech, Unternehmer, Casino-Besitzer und Geschäftsmann im Energiesektor. Die Ermittler waren ihm also schon lange auf den Fersen, und Muscat wusste es. Das ist brisant, weil Fenech von der Regierung große Aufträge erhielt. Fenech wurde vor einer Woche verhaftet, als er versuchte, im Morgengrauen an Bord seiner Yacht zu fliehen. Belastet hatte ihn der mutmaßliche Mittelsmann Melvin Theuma. 150 000 Euro soll er von Fenech erhalten haben, um die drei Männer zu bezahlen, welche die Bombe bastelten, platzierten und fernzündeten. Die Brüder George und Alfred Degiorgio und Vincent Muscat, die mutmaßlichen Täter, sitzen schon lange in Haft. Sie sollen erst vorgehabt haben, Daphne Caruana Galizia zu erschießen. Die Autobombe erschien ihnen dann aber als sicherere Methode. Theuma und Fenech haben für ihre Aussagen Immunität beantragt. Fenech beteuerte, er sei bereit, alles offenzulegen, was er über Schembri wisse, über den auch zurückgetretenen Tourismusminister Konrad Mizzi, sowie über den bisherigen Wirtschaftsminister Chris Cardona, der sein Amt für Erste ruhen lässt. Im Fall Theumas, der wegen weiterer Vergehen angeklagt ist, gab Muscat dem Antrag statt. Im Fall Fenechs nicht.

© SZ vom 30.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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