Gut drei Jahre ist es her, dass Silvana Koch-Mehrin Geschichte geschrieben hat. Zumindest FDP-Geschichte. Nach zehnjähriger Abstinenz führte die damals gerade mal 33-jährige Nachwuchspolitikerin die deutschen Liberalen wieder ins Europaparlament. Auf allen Kanälen war zu sehen, wie sie mit FDP-Chef Westerwelle um die Wette strahlte.
Danach wurde es still um Silvana Koch-Mehrin. Kein Wunder, ist doch die Arbeit des Europaparlaments für viele Deutsche weit weg und ziemlich irrelevant. Das gilt umso mehr, wenn man sich mit einem trockenen Thema wie der Haushaltspolitik der Europäischen Union auseinandersetzt. Und das ist die Aufgabe von Silvana Koch-Mehrin. Im Haushaltsausschuss des EU-Parlaments wacht sie mit ihren Kollegen über die Einhaltung der Stabilitätsregelungen und passt auf, dass kein Geld verschwendet wird.
Profilieren konnte sie sich damit bisher nicht. Zwar hatte sie einige Ideen, wollte zum Beispiel einen der beiden Tagungsorte des Europaparlaments, Straßburg und Brüssel, abschaffen oder den Parlamentariern die Tagespauschalen kürzen.
Die Aufmerksamkeitsschwelle des durchschnittlich politikinteressierten Bürgers überschritt sie damit nicht.
Da verwundert es nicht, dass sich Koch-Mehrin ein Thema ausgesucht hat, das deutlich sexier ist: Familienpolitik. Mit Ihrem Buch "Schwestern - Streitschrift für einen neuen Feminismus" mischte sie sich in die frauen- und familienpolitische Diskussion in Deutschland ein. Der Titel klingt dröge. Und nach Alice Schwarzer.
Das dünne Büchlein ist aber unterhaltsam geschrieben und enthält statt scharfer Thesen bunte und persönliche Anekdoten aus dem Leben einer berufstätigen Mutter. Alles ganz nach Koch-Mehrins Leitspruch: "Das Private ist politisch." Der Erfolg blieb nicht aus.
Mit Baby-Bauch im Magazin
Medien von Spiegel bis Bunte berichteten über das Buch der 36-Jährigen, womit sie einmal mehr bewies, dass sie das Spiel mit den Medien beherrscht. Journalistische Praktika während ihres Geschichtsstudiums haben wohl geholfen.
Doch Koch-Mehrin fand auch Gehör, weil sie als Politikerin selbst zwei Kinder hat, das dritte ist unterwegs. "Als Politikerin Kinder zu haben, weckt sofort Interesse. Man wird dazu gefragt, also sagt man auch etwas dazu", sagt das FDP-Präsidiumsmitglied sueddeutsche.de: Das sei allerdings typisch deutsch, und sie hoffe, dass das eine Übergangssituation sei.
Für Aufsehen sorgte die promovierte Volkswirtschaftlerin bereits während ihrer zweiten Schwangerschaft, als sie ihren Baby-Bauch vom Stern fotografieren ließ.
Koch-Mehrin lebt mit ihrem Lebensgefährten und ihren zwei Töchtern in Brüssel und kann dort auf eine ganz andere Infrastruktur zur Kinderbetreuung zurückgreifen. An der würde sie gerne auch in Deutschland etwas ändern, aber das Thema hat schon eine Konkurrentin besetzt.
"Ich finde Frau von der Leyen großartig", sagt die FDP-Politikerin. Die Ministerin sei genau die Richtige, um die deutsche Familienpolitik voranzubringen.
Noch 2005 stand in der Wochenzeitung Die Zeit : "Auf Gedöns-Themen hat sie keine Lust." Also auf die Themen, die Altbundeskanzler Gerhard Schröder einmal als "Gedöns" bezeichnet hat: Frauen, Kinder, Familie.
Erstmal scheint die weibliche FDP-Hoffnung an Gedöns-Themen Gefallen gefunden zu haben. Damit schreibt man zwar keine FDP-Geschichte, bringt sich aber auch als Europapolitikerin ins Gedächtnis. Und ein hoher Bekanntheitsgrad schadet nicht, wenn man eines Tages das Europaparlament mit dem Bundestag tauschen will.
