Lockerbie-Attentäter wieder in Libyen:Jubel und Empörung

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Bei seiner Ankunft in Tripolis empfangen begeisterte Landsleute den todkranken Lockerbie-Attentäter al-Megrahi. Die US-Regierung hingegen ist "tief enttäuscht", die Angehörigen der Opfer sind bestürzt.

Acht Jahre nach seiner Verurteilung wegen des Bombenanschlags auf einen PanAm-Jumbo über dem schottischen Lockerbie ist der Attentäter Abdel Bassit Ali Mohammed al-Megrahi aus dem Gefängnis entlassen worden und nach Libyen zurückgekehrt.

Al-Megrahi (l.) wird in Tripolis von Muammar al-Gaddafis Sohn Seif al-Islaam begrüßt. Die Angehörigen der Opfer sind über die Freilassung des Lockerbie-Attentäters empört. (Foto: Foto: AP)

Zuvor hatte der schottische Justizminister Kenny MacAskill den 57-Jährigen, der an Prostatakrebs im Endstadium leidet, begnadigt. Während die Rückkehr des Libyers in seiner Heimat gefeiert wurde, stieß die vorzeitige Haftentlassung bei vielen Angehörigen der 270 Anschlagsopfer auf Unverständnis und heftige Kritik. US-Präsident Barack Obama kritisierte die Freilassung als "einen Fehler".

Das Außenministerium in Washington warnte die libysche Regierung vor einer "Heldenfeier" für al-Megrahi. Dies wäre "inakzeptabel" und würde Folgen für die Beziehungen beider Länder haben, sagte Außenamtssprecher Philip Crowley in Washington.

Bei seiner Landung in Tripolis am späten Abend wurde al-Megrahi nach Berichten libyscher Medien von Tausenden Landsleuten begrüßt. Viele Menschen hätten schottische oder libysche Fahnen geschwenkt, berichteten auch britische Sender. Al-Megrahi traf mit einer libyschen Maschine in Tripolis ein. Begleitet wurde er vom Sohn des libyschen Revolutionsführers Muammar el Gaddafi, Saif al-Islam.

In einer Erklärung hatte al-Megrahi zuvor seine Unschuld beteuert und den Hinterbliebenen der Anschlagsopfer sein Mitgefühl ausgesprochen. Seine Verurteilung nannte er eine "Schande".

US-Präsident Obama forderte die libysche Regierung auf, al-Megrahi unter Hausarrest zu stellen. Das Mitgefühl gelte nun den Familien der Opfer, "die jeden Tag mit dem Verlust ihrer Lieben leben müssen", hatte es zuvor aus dem Weißen Haus geheißen. Außenministerin Hillary Clinton teilte mit, die US-Regierung sei "tief enttäuscht".

Empörung auch bei den Angehörigen der Attentatsopfer: "Er ist ein Massenmörder und Terrorist", klagte Susan Cohen, deren Tochter unter den 189 amerikanischen Todesopfern des Anschlags war, im Sender CNN. Sie warf London eine "Beschwichtigungspolitik" gegenüber der libyschen Führung vor. "Es geht alles nur um Öl."

Vor der Verkündung seiner Entscheidung, al-Megrahi zu begnadigen, hatte Schottlands Justizminister MacAskill an den schlimmsten Terroranschlag in der Geschichte Großbritanniens erinnert: "Er zeigte kein Mitleid mit den Opfern", sagte er mit Blick auf al-Megrahi. Und viele Wunden, die er den Familien der Opfer zugefügt habe, würden nie verheilen. "Daher werden viele mit meiner Entscheidung nicht einverstanden sein." Aber die Krankheit sei "unheilbar", al-Megrahi stehe nun vor der "Strafe einer höheren Gewalt", sagte der Minister. "Er wird bald sterben".

Al-Megrahi war der Einzige, der für das Attentat kurz vor Weihnachten 1988 verurteilt worden war. Er hatte erst am Dienstag eine zweite Berufung zurückgezogen und damit einen Teil der Angehörigen enttäuscht, die sich von einer Neuauflage des Verfahrens neue Informationen zu den Hintergründen des Verbrechens erhofft hatten.

An der Schuld al-Megrahis hatte es stets Zweifel gegeben. So tauchte etwa die Theorie auf, dass Lockerbie die Vergeltung des Irans für den Abschuss eines iranischen Flugzeugs vom Typ Airbus mit 290 Menschen an Bord durch ein US-Kriegsschiff im Jahr 1988 war.

Libyen hatte 2003 formell die Schuld für den Tod der 270 Menschen übernommen und Entschädigungszahlungen für die Hinterbliebenen zugestimmt. Später verlautete aus der libyschen Führung, man habe die Verantwortung nur übernommen, um ein Ende der UN-Sanktionen zu erreichen.

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