Litauen:Machtwechsel im Schatten der Pandemie

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Die konservative Vaterlandsunion hat die Mehrheit der Sitze im Parlament gewonnen. Spitzenkandidatin Ingrida Šimonytė verspricht eine neue Strategie im Kampf gegen das Coronavirus.

Von Kai Strittmatter, Kopenhagen

Die 2,8 Millionen Litauer bekommen eine neue Regierung. Bei der zweiten Runde der Parlamentswahlen am Sonntag wurde die bislang oppositionelle konservative Vaterlandsunion zur stärksten Kraft und sicherte sich 50 der 141 Sitze im Parlament. Der bislang regierende Bund der Bauern und Grünen von Premierminister Saulius Skvernelis kommt nur mehr auf 32 Sitze. Die Spitzenkandidatin der Vaterlandsunion, Ingrida Šimonytė, nahm noch am Montag Gespräche auf über eine mögliche Koalition mit den Liberalen (13 Sitze) und der neu gegründeten Freiheitspartei (11 Sitze). Käme die Koalition zustande, dann würde Litauens Regierung in Zukunft von drei Frauen angeführt. Das neue Parlament tritt Mitte November erstmals zusammen.

Die Wahl stand im Schatten der Corona-Pandemie. Litauen ist bislang ökonomisch vergleichsweise gut durch die Krise gesteuert, voraussichtlich wird seine Wirtschaft in diesem Jahr um lediglich 1,8 Prozent schrumpfen. Die Zahl der Infizierten steigt allerdings auch dort stark an, und viele Wähler waren unzufrieden mit dem Corona-Management der alten Regierung. Wahlsiegerin Ingrida Šimonytė versprach einen Wandel in der Strategie gegen das Coronavirus; unter anderem wolle man mehr auf Wissenschaftler und Mediziner hören.

Das Land unterstützt die Demokratiebewegung in Belarus

Die 45-jährige ausgebildete Ökonomin war in Folge der globalen Finanzkrise schon einmal Finanzministerin des Landes und damals für harte Sparmaßnahmen verantwortlich gewesen. Heute verspricht sie den Litauern eine Modernisierung der Wirtschaft. In gesellschaftlichen Fragen gilt sie als liberal und ist auch deshalb bei Städtern populärer als der bisherige Premier Skvernelis.

Außenpolitisch erwarten Beobachter Kontinuität. Litauen verfolgte in den letzten Jahren eine EU-freundliche Politik, das Land unterstützt die Demokratiebewegung im benachbarten Belarus und bot der geflüchteten Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja Zuflucht. Staatspräsident Gitanas Nausėda zeigte sich am Sonntagabend erleichtert über den Verlauf der Wahlen, die unter strengen Corona-Abstandsregeln stattfanden. Er nannte sie auf Facebook "die vielleicht schwierigsten Parlamentswahlen in der Nachkriegsgeschichte Litauens". Ex-Präsidentin Dalia Grybauskaitė schrieb ebenfalls auf Facebook, die Wahlen seien "das Beste, was Litauen in dieser schwierigen Periode passieren konnte". Besonders freue sie sich darüber, dass die drei siegreichen Parteien alle von Frauen angeführt werden: "Frauen scheuen sich nicht, in schweren Zeiten Verantwortung zu übernehmen."

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