Libyen:Parlament wählt ersten Regierungschef nach Gaddafi

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Unglücklicher können die Umstände eines Amtsantritts kaum sein: Nur wenige Stunden nach dem Angriff auf das US-Konsulat ist in Libyen ein neuer Ministerpräsident gewählt worden. Mustafa Abu Schagur gilt als Kompromisskandidat, aber leicht wird es der erste gewählte Regierungschef seit dem Sturz Gaddafis nicht haben.

Überschattet von dem tödlichen Angriff auf das US-Konsulat in Bengasi hat das Parlament in der libyschen Hauptstadt Tripolis einen neuen Ministerpräsidenten gewählt. Der amtierende Vize-Ministerpräsident Mustafa Abu Schagur setzte sich bei einer Stichwahl am Mittwochabend gegen den Vorsitzenden der Mehrheitsfraktion, Mahmud Dschibril, durch, wie mehrere arabische Medien übereinstimmend berichteten.

Libyens neuer Ministerpräsident: Mustafa Abu Schagur soll das Land nun in die Demokratie führen. (Foto: dpa)

Schagur galt bereits im Vorfeld als Kompromisskandidat für eine neue Übergangsregierung, der von Islamisten und Liberalen gleichermaßen akzeptiert wird. Er ist der erste gewählte Regierungschef seit dem Sturz des langjährigen Machthabers Muammar al Gaddafi im vergangenen Jahr. Schagur, der lange Jahre an Universitäten in den USA und am Golf gelehrt hat, war erst kürzlich aus dem Exil zurückgekehrt. Er steht vor der schwierigen Aufgabe, für mehr Sicherheit und Stabilität in dem nordafrikanischen Land zu sorgen und die Milizen zu entwaffnen.

Im ersten Wahlgang hatte zunächst Dschibril die meisten Stimmen für sich verbucht. Er verfehlte jedoch die nötige Mehrheit. In der Stichwahl stimmten schließlich 96 der 190 Abgeordneten für Schagur. Insgesamt hatten sich acht Kandidaten zur Wahl gestellt.

Libyens schwieriger Weg zur Demokratie

Der unterlegene Dschibril war schon während des Aufstandes gegen das Regime von Muammar al-Gaddafi von einem inzwischen aufgelösten Übergangsrat zum Regierungschef ernannt worden. Er spielte eine wichtige Rolle bei den Gesprächen mit westlichen Regierungen, die den Nato-Einsatz in Libyen unterstützten. Später wurde Dschibril von dem aktuell amtierenden Ministerpräsidenten Abdel Rahim al-Kib abgelöst.

Regelmäßige Gewaltausbrüche erschweren Libyens Weg zur Demokratie, wie auch die aktuellen Ereignisse zeigen: In der Nacht zum Mittwoch wurden bei einem Angriff auf das US-Konsulat in Bengasi Botschafter Chris Stevens und drei weitere Amerikaner getötet. Mittlerweile ermitteln die US-Geheimdienste wegen eines möglichen terroristischen Hintergrunds.

Angestachelt von einem islamfeindlichen Internetvideo hatten zuvor aufgebrachte Muslime in der ägyptischen Hauptstadt Kairo versucht, in die dortige US-Botschaft einzudringen. Ihr Zorn richtete sich gegen einen in den USA produzierten Filmtrailer, in dem der Prophet Mohammed verunglimpft wird. International wurde die Gewalt scharf verurteilt.

© Süddeutsche.de/dpa/dapd/sebi - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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