Neue Verhandlungen über eine Einheitsregierung in Libyen sind von einer Rücktrittserklärung des Premiers der international anerkannten Regierung in Baida überschattet worden. Abdullah al-Thinni sagte am Dienstagabend in einer Fernsehsendung: "Wenn mein Ausscheiden die Lösung ist, kündige ich es hier an." Der Premier reagierte damit sichtlich wütend auf kritische Fragen und Anschuldigungen, mit denen ihn aufgebrachte Zuschauer der live übertragenen Talkshow konfrontierten. Sie machten die Regierung für die mangelhafte Grundversorgung und die schlechte Sicherheitslage in den von ihr kontrollierten Gebieten verantwortlich und beschuldigten sie der Korruption. Thinni kündigte an, seinen Rücktritt am Sonntag einzureichen. Ein Sprecher relativierte die Äußerungen des Regierungschefs aber später und sagte, es habe sich lediglich um ein Angebot gehandelt; ein Rücktritt müsse schriftlich beim Parlament eingereicht und von diesem gebilligt werden.
In Genf hatten sich am Montag nach den Worten des UN-Sondergesandten Bernadino Léon "alle wichtigen Vertreter" der libyschen Konfliktparteien zu neuen Gesprächen über die Bildung einer Einheitsregierung eingefunden. Derzeit gibt es neben dem anerkannten Kabinett Thinnis in Baida eine von Islamisten dominierte Gegenregierung in Tripolis und auch ein Gegenparlament. Noch werde mit den beiden Gruppen getrennt voneinander verhandelt. Er hoffe aber, dass sich die Unterhändler in den kommenden Tagen an einen Tisch setzen werden, sagte Léon. Politischen Willen bei allen Beteiligten vorausgesetzt, hoffe er bis zum Beginn der UN-Generalversammlung im September einen Friedensplan aushandeln zu können. Im Juli war ein Teil-Abkommen geschlossen worden, das jedoch das Parlament in Tripolis ablehnte.